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Schwanensee auf dem Bodensee

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Zwei Stunden ohne ein gesprochenes oder gesungenes Wort, nur Klang- und Bildwirkung, und doch das Abrollen einer Handlung, die stets in Spannung hält; fast nimmt man den Donnerschlag, der das Trugspiel des dritten Aktes beendet, als Störung — das ist das Ballett auf dem nächtlichen Bodensee: „Schwanensee“ von Peter Iljitsch T e c h a i-k o w s k i j s. — Die Handlung ist von jener zarten Innigkeit, wie sie die Märchen von Irland bis Bali durchzieht: der Prinz liebt die verzauberte Prinzessin, den weißen Schwan, der böse Geist unterschiebt seine Tochter, die Tragik steigt ihrem Höhepunkt zu, die Liebenden finden einander, aber nicht mehr auf dieser Erde, erst in der Ewigkeit. — Wenn das Wort des Schauspiels oder der Oper fehlen, muß sich die Sprache des körperlichen Ausdrucks zu höchster Vollendung erheben. Edeltraut B r e x n e r verkörpert die lichte und die dunkle Prinzessin, Willy D i r 11 ist ihr Partner, Carl R a i m u 11 d der böse Geist. Der Hofbai] des dritten Aktes gibt Gelegenheit zur Entfaltung des tänzerischen Ensembles in den Variationen, im Csardas, im Neapolitanischen und im Spanischen Tanz, in der Mazurka und im Brautwalzer, die Krönung des Ganzen bleibt die Schlußapotheose, bei der die Regie die Möglichkeiten der Seebühne restlos ausschöpft. Der „unwiederholibare Seelenzauber“ von Tschaikowskijs Musik schwingt über den nächtlichen See und entführt den Zuhörer für geraume Zeit in eine unwirkliche Welt. — Zum besonderen Glück des Seeballetts in Bregenz gehörte, daß drei Stunden vor Beginn ein zweitägiger Dauerregen aufhörte und eine milde, windlose Nacht die notwendige Stimmung vorbereitet hat.

Begrüßt muß Xw15.04.XHTMLerden, daß die alljährliche Matinee der Wiener Symphoniker wieder zur leichten Musik zurückgekehrt ist. Gerade in Österreich hat Johann Strauß sein Recht. Unter der Leitung von Leo L eh ne r empfing man einen Querschnitt aus seinen schönsten Werken, und Eiße Mayerhofer war, auch im Ausdruck, eine charmante Interpretin. Der Chor Jung-Wien sang sich hier — genau so wie beim Chorkonzert in Feldkirch — in die Herzen der Vorarlberger.

Wenn eine Seebühne 60 Meter breit, 30 Meter tief und zehn Meter hoch geworden ist, wenn sechs Unterwasserpumpen gegen 2000 Wasserstrahldüsen mit 250 Litern in der Sekunde speisen, wenn ein Feuerwerk zum Nachthimmel emporsteigt, dann beginnt die Gefahr, daß ein barockes Spiel zu einer Schau wird, daß die Technik die Kunst ablöst.

In Bregenz haben die Inszenierung von Adolf Rott, die Gestaltung von Fritz Judtmann und die musikalische Leitung von Heinrich Hollreiser jene Gefahr gebannt. Auge und Ohr kommen fast unbegrenzt auf ihre Rechnung, und doch ist Kunst Kunst geblieben.

Szenenbild aus Hofmannsthals „Salzburger Großem Welttheater“, das seit vielen Jahren leider im Spielplan fehlt (Skizze von Anton Steinhart)

„Wiener Blut“ ist ein nachgeborenes Kind der Muse Johann Strauß'. Die Operette muß jeweils durch andere Werke des großen Meisters ergänzt werden; von dieser Möglichkeit wird in Bregenz reichlich Gebrauch gemacht. Der Mittelpunkt des Abends ist der vom Wiener Staatsopernballett unter Willy Franzi getanzte Kaiserwalzer.

In den weiblichen Hauptrollen glänzten Gerda Scheyrer, Eiße Mayerhofer und Renate Holm, während Fritz Hoppe und Per Gründen die Regierung von Reuß-Schleiz-Greiz mit maßvollem Sächseln repräsentierten. Vielleicht erbarmt sich ein Librettist einmal des Buches; die Verwechslung von Gattin und Nichtverstenen zwischen Wiener und sächsischem Deutsch wirken schon abgiär^scneff^^ sogar vor, als ob der Karussellbesitzertom von Friedrich Nidetzky und die fiakerhaften Ausbrüche von Hugo Gottschlich nicht recht in das Bregenzer Milieu passen. Peter Klein hielt als Kammerdiener die österreichische Note in angenehmerem Ausmaß.

Wundervoll schwangen sich die Klänge der Wiener Symphoniker über den nächtlichen Bodensee Ein Sonderlob gebührt dem Bregenzer Festspielchor, unter Rudolf Schramek und Wilhelm Schosland.

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