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Sender und Hörer

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Mit einem Zyklus österreichischer Dramen fügte sich die Radiobühne in den Reigen der Festveranstaltungen der jubilierenden Ravag. So erfreulich dieser Ausschnitt aus dem Schaffen österreichischer Dramatiker bis auf Grillparzer und Raimund zurück gewesen sein mag, so verwunderlich blieb es, daß er sich ausschließlich auf Werke unserer Bühnenliteratur beschränkte, als wäre ein Theaterfest zu feiern gewesen, während der Anlaß doch zu der Erwartung berechtigte, die Radiobühne werde auch zeigen, mit welchem Erfolg sie in dem Vierteljahrhundert ihres Bestandes die reichen Möglichkeiten der jüngsten dramatischen Kunstgattung, de funkgemäßen Hörspiels, zu nutzen verstand, welchen Anteil sie an der Erschließung diese Neulands nahm. Indessen war unschwer zu erkennen, daß die Auswahl der Bühnenwerke nicht ohne Bedacht auf ihre relative Eignung auch für die Wiedergabe durch den Rundfunk vorgenommen worden war. So vermochte sich in Schönhcrrs „Die Bildschnitze r“, dieser vom szenischen Eindruck weitgehend unabhängigen „Tragödie braver Leute“, die bis auf die letzte Formel verdichtete Knappheit der Sprache ebenso wirkungsvoll durchzusetzen, wie in Hofmannsthals Einakter „G fist e r n“ der lyrische Wortprunk die Hand- lungsarmut dieser Dichtung wie ein weiter Mantel versöhnlich umwallte. Willfährig fügte sich auch der wenig bekannte Einakter „D r e i k a m p f“ von W i 1 d g a n s, ein einziger Dialog von meisterhaft gesteigerter Dramatik, einer Wiedergabe auf der Radiobühne, während Schnitzlers „Liebelei“ des optischen Elements minder leicht entraten konnte, denn die Farben dieses schon arg verblassenden Bildes aus dem Wien um die Jahrhundertwende können kaum wieder aufgefriecht werden, ohne daß das Milieu des armen „süßen Mädels“ und jenes des allzu lebenslustigen Reserveleutnants aus reichem Hause auf der Schaubühne mitspielend in Erscheinung treten. Einigermaßen erschwert wurde dem Hörer auch das volle Verständnis von Bittners musikalischem Volksstück „Der liebe Augustin“ mit seinem häufigen und beziehungsreichen Wechsel der Schauplätze und seinem erklecklichen

Aufwand an handelnden Personen. Vollends unbezaubert aber mußte man von Raimunds lieblicher Zauberposse „Der Diamant de Geisterkönigs" bleiben, denn nicht die üppigste Phantasie vermag dem Hörer den Märchenpalast des Geisterfürsten mit allen seinen Feen und „Genien“ vor das geistige Auge zu bauen, zumal ihm der gesprochene Text keinerlei Anhaltspunkte dafür bietet. Außerordentlich hübsch geriet eine festliche Sendung von Grillparzers „Der Traum, ein Lebe n“. Wenn da aber in der Traumhandlung — offenbar ihrer besseren Verständlichkeit zuliebe — auch Verse zu vernehmen sind, die man im Buchtext vergeblich suchen wird, so erhebt sich immerhin die Frage, ob denn die längst „klassisch“ gewordene Formgültigkeit einer Grillparzersehen Verdichtung nicht unter allen Umständen vor fremden Zutaten geschützt bleiben müßte.

Abseits von diesem literarischen Jubiläumszyklus erfüllte auf minder literarischer Ebene, jedoch mit vollem Erfolg ein Stück seinen Zweck, das geradezu als Musterbeispiel einer dramatischen Funkdichtung zu werten ist. „Ob uni die Wüste behält“ von Pierre Virc wurde bereit in der Schweiz durch ungewöhnliche Erfolge beglaubigt. Dieses Hörspiel begnügt sich nicht damit, unsere Nerven fast bis an die Grenzen des Erträglichen zu erregen, sondern greift uns auch mächtig an das Herz. Drei verirrte Flieger, durch Benzinmangel zur Notlandung inmitten der Sahara gezwungen, warten nun bei schwindendem Wasservorrat tagelang auf Rettung oder Tod. Aus ständigen Funkmeldungen wissen sie, daß eine Unzahl von Flugzeugen auf fieberhafter Suche nach ihnen ist, doch könhen sie ihre Kameraden nicht durch Angaben über ihre Lage unterstützen, da ihr Sendegerät bei der Landung beschädigt wurde. In allerletzter Stunde gelingt es, zwei von ihnen zu retten, den dritten behält die Wüste. Mit ganz hervorragendem Geschick werden hier lediglich die arteigenen Mittel der funkgemäßen Darstellung ins Spiel gesetzt. Eine Wiederholung dieser, auch von der Regie auf das sorgsamste betreuten Sendung ist sehr zu empfehlen.

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