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Studenten spielen in Parma

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Allen Kunstfreunden ist Parma durch sein einzigartiges Baptisterium, durch die Plastiken Benedetto Antelamis und als Geburtsstadt Correggios ein Begriff. Musikkenner wissen, daß hier Verdi, Tosca-nini und Pizzetti geboren wurden und Paganini seine letzte Ruhestätte fand. Weniger bekannt ist hingegen, daß sich die durch ihre kulinarischen Spezialitäten weltberühmt gewordene Stadt innerhalb eines Jahrzehnts zu einem aktiven kulturellen Zentrum entwickelt hat.

Eine der ältesten Universitäten und eines der schönsten Hoftheater Italiens waten die Voraussetzungen für die Verwirklichung der originellen Idee, ein internationales Festival des Universitätstheaters zu schaffen. Daß diese Festspiele sehr wohl geistigen, aber keinen kommerziellen Gewinn bringen würden, wußten die Gründer von vornherein. Darum stellte die Gemeinde Parma das 1829 erbaute Teatro Regio unentgeltlich zur Verfügung, und die Universität übernahm, gemeinsam mit dem Fremdenverkehrsverband, zu gleichen Teilen die Subventionslast.

So konnten sich heuer bereits zum zehntenmal junge Ensembles aus West und Ost in der zweiten Aprilwoche einem internationalen, vorwiegend aus Studenten bestehenden Publikum vorstellen und Erfahrungen austauschen. Es versteht sich, daß das italienische Theater, mit dem es bekanntlich gegenwärtig nicht zum besten steht, von diesen Begegnungen am meisten profitieren kann.

Am 10. Festival nahmen je drei Gruppen aus Ländern diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs und aus Italien teil. Mitglieder des Departement of Drama der Universität Bristol eröffneten die Festwoche, indem sie Shakespeares „Verlorene Liebesmüh'“ gut pointiert zelebrierten. Die Gruppe „Esbart Verdaguer“ aus Barcelona brillierte mit folkloristischen Tänzen: der Höhepunkt des Abends war zweifellos der eindringliche Totentanz aus der Prozession von Verges. Nach diesen stark traditionsgebundenen Veranstaltungen hatte es das Theaterzentrum der Universität Parma mit Majakowskijs Satire auf kommunistische Parteibürokratie „II Bagno“ nicht leicht. Keine glückliche Lösung bedeutete der polnische Beitrag: Wer sollte die vielstrophigen Songs verstehen, die von den ambitionierten Mitgliedern des Saririschen Studententheaters „Pstrag“ aus Lodz zwischen recht naiven Pantomimen vorgetragen wurden? Eine sehr schwierige Aufgabe hatte das Theaterzentrum der Universität Rom übernommen; die Interpretation des handlungsarmen Dramas „Die Gerechten“ von Camus vermochte nicht ganz zu überzeugen.

Die einzige ausverkaufte Vorstellung des Festivals war die am leichtesten verständliche, aber zugleich auch die schwächste: Neun Eleven der Leningrader Tanzakademie muteten sich zu große Probleme und dem Publikum ein bis zum Kitsch absinkendes, stilistisch uneinheitlich., Programm zu. Doch es gefiel den kulinarischen Parmensern und wurde wegen des großen Andrangs sogar wiederholt...

Am schlechtesten besucht war — wohl wegen der sprachlichen Schwierigkeiten — die gute Aufführung von J. und K. Capeks

Groteske „Das Leben der Insekten“ durch das Ensemble der Musikwissenschaftlichen Fakultät Prag. Die Gruppe des Theätre Antique der Pariser Sorbonne war vom Pech verfolgt: Die zwei Wochen vorher auf die Reise geschickten Kostüme und Kulissen trafen verspätet und nur teilweise in Parma ein, die Vorstellung mit den beiden anonymen Farcen „Maitre Pathelin“ und „Le pauvre Jouhän“ mußte um zwei Tage verschoben werden, und zuletzt konnten die Franzosen ihre Raritäten aus dem 15. Jahrhundert doch nur in Straßenkleidern präsentieren.

Höhepunkt des Festivals wurde die ursprünglich als Abschluß gedachte Neuinszenierung der „Commedia degli Zanni“ durch das Teatro Stabile der Ca Foscari aus Venedig, eine glänzend geglückte und gespielte Zusammenstellung von Renaissancedokumenten der Commedia dell'arte.

In Zukunft werden sicher noch mehr junge Ensembles aus West und Ost im Königlichen Theater von Parma zu Wort kommen. Läßt sich ein wirkungsvolleres Beispiel für die völkerverbindende Macht des Theaters denken?

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