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Von den ungenützten Möglichkeiten

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Der österreichische Film „W i e n tanzt“ (streichen wir ruhig aus dem Programm das selbstgefällige Wort „Großfilm“) handelt von Strauß, nicht dem verfluchten Wolzerkeenig, sondern vorwiegend seinem leiblichen Vater, dem unglücklichen Partner einer unglücklichen Ehe (aus der nichtsdestoweniger drei Teufelskerle, das produktive Genie Johanns von Österreich, das selbstquälerische Josefs und das verbummelte Eduards entwuchsen), dem Liebhaber Milli Trampuschs und dem Vater des berühmten Sohnes. Kein schlechter Griff, denn in diesem Leben, das sich noch bei Lebzeiten im eigenen Fleisch und Blut selbst überlebte, stecken mehr Akzente, dramatische, tragische, groteske und sentimentale, als im Prestissimo des ruhelosen Vagabundierens und Sichverschwendens Johanns des Jüngeren. Man brauchte dazu .nur ein paar der Anfangskapitel der unsterblichen Strauß-Biographie von Decsey — ein Volltreffer des Musikers, Kritikers, Poeten und Journalisten — nachlesen. Aber man tut es nicht. Man dreht einen Film „nach einer Idee von Hans Gustl V., bearbeitet von Benno W., Drehbuch von Jacques X. und Emils Edwin Y., Drehbudi von Johannes Mario Z.“ — und das Malheur, das richtige

Filmmalheur, ist fertig. Wäre der Film schlecht, ganz schlecht, müßte man sich nicht so irrsinnig ärgern wie hier über die zehn Halbhelten, hundert Schlampereien und tausend verpatzten Chancen. Das ist er aber eben nicht, kann er mit Wohlbrück als „altem“ Strauß gar nicht sein. Es ist nur alles an ihm so impertinent brav, eingelernt und mittelmäßig und damit unösterreichisch bis in die Knochen, denn das alles, das gerade sind wir — trotz allem — nicht. Einer Domayer-Szene beispielsweise fehlt die ganze Verve, das Umstürzlerische, das Behexende der Musik (des Musikarrangements!); sie ist heruntergeleiert wie vom Werkelmann, als ob sie nicht vom genialischsten aller österreichungarischen Zigeuner, sondern von einem x-beliebigen Mayer oder Müller oder Schmidt oder Gentner stammte... Und das schadet uns, nicht nur bei Premieren in Berlin und München und auf Festivalien und Biennalien, wo wir durch ständige Retiraden im letzten Augenblick glänzen, sondern nachgerade auch im eigenen Lande, wo durch so verzweifelte Streberschularbeiten die einstmals attraktivsten Künstlernamen heute schon beim anspruchslosesten Vorstadtpublikum langsam, aber sicher an Glanz und Gloria verlieren.

Das nachbarliche Gegenstück: der deutsche Film „Skandal in der Botschaft“. Auch er eine aufreizende Verschwendung des künstlerischen Vollblutes Viktor de Kowa (in einer mit älteren Tricks operierenden Doppelrolle) und an der im Grunde höchst tief« sinnigen Fabel, die eines klassischen Komödiendichters würdig wäre: der doppelten

Moral der staatlichen Gerechtigkeit, die einen Menschen wegen des gleichen Delikts zuerst einsperrt, dann aber unter Vorgabe von Staatsraison und Patriotismus zur Wiederholung ermuntert, Ja zwingt und reichlich löhnet... Ein Königsgedanke! Aber: was für munter blödelnde Dialoge, was für unaufrichtige Drapierung mit augenzwinkernder politischer Aktualität, was für geschlagene Blindheit für die zum Greifen nahen Höhen, Gründe und Abgründe der Fabel machen aus ihm ein kindliches Gestammel — oder, wie es in der blutig rohen Sprache des Metiers heißt, einen risikolosen, einen krisenfesten, einen Kassenfilm.

Die ungenützten Möglichkeiten ... Und nur eine hat der Film genützt: das Ganze, das Aristokratische, das Künstlerische zu morden und an seiner Statt das Halbe, das Pöbeltüm-liche, das — Filmische zu setzen.

F i 1 m s c h a u (Gutachten der Katholischen Filmkoramission für Osterreich, Nr. 35/36 vom 4. September 1951). II (für alle zulässig): „Der seltsame Herr Bruggs*. »Mit eiserner Faust*. III (für Erwachsene und reifere Jugend): „Der gebrochene Pfeil*. IV (für Erwachsene): „Die Nacht ohne Sünde*, „Die Geliebte des Marschalls“, „Die Todesfalle von Chikago“, „Der Verrat des Surat Khan“. IVa (für Erwachsene mit Vorbehalt): „König der Bettler“, „Tal der Leidenschaften“, „Sudan“. IV b (für Erwachsene mit ernstem Vorbehalt): „Die Farm der Besessenen“.

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