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Die Prinzessin und die Moskitos

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Das Vorspiel zu der Verlobung der holländischen Kronprinzessin Beatrix mit dem deutschen Diplomaten Claus von Arnsberg war einer fürstlichen Romanze unwürdig. Schon beim Auftakt geschah ein Fehlschlag. Ein Photoreporter zerriß rücksichtslos den Schleier hinter dem man die aufblühende Liebe fürs erste noch vor der Außenwelt verheimlichen wollte. Der Verwegene hatte sich, von seinem Berufseifer verführt, an die Umzäunung von Schloß Drakesteyn herangeschlichen, und seine weitblickende Telekamera äugte aus dem Versteck heimlich nach dem ahnungslosen Liebespaar, das sich im Schloßgarten erging. Da konnte das sorgsam gehütete Geheimnis nicht mehr lange verborgen bleiben.

Der publizistische Wert dieser exklusiven Aufnahmen zu einem Zeitpunkt, da eine bevorstehende Verlobung der Prinzessin von maßgebender Seite entschieden geleugnet wurde, war gewiß kein geringer. Daß alle niederländischen Zeitungen bis auf eine Ausnahme die Veröffentlichung der Bilder dennoch ablehnten, zeugt von der hohen Berufsmoral der hiesigen Presse und der traditionellen Ehrfurcht vor dem Königshause. Anderwärtig kam der geschäftstüch-

tige Photograph besser zum Zuge. Vor allem in England, aus welchem Land auch der eine und andere adelige Herr um die Hand der hübschen und reichen Prinzessin angehalten hatte, blühte sein Weizen. Die Bilder, in sensationeller Aufmachung gebracht, erregten begreiflicherweise ein weithallendes Echo, das die daraufhin unverweilt einsetzenden Diskussionen noch um ein Vielfaches verstärkten. Die Diskrepanz zwischen Publicity und „Privacy“ — so die Schlagwörter — stand zur Debatte. Das Recht des Volkes auf Publizität und das Recht der Prominenz i. e. der königlichen Familie auf ein behütetes Eigenleben galt es miteinander in Einklang zu bringen.

Auch diesmal wieder, wie bei der Verlobung der Prinzessin Irene im Vorjahr, warf man dem Aufklärungsamt vor. das Volk nicht rechtzeitig informiert zu haben, wodurch, wie es hieß, die „unverschämten Pressemoskitos“ erst ihre Chance bekommen hätten.

Mehr Gebfisch auf Drakesteyn

Das Vernünftigste, was zu diesem Thema überhaupt geäußert wurde, scheint uns die Feststellung, daß in einem häufigeren und spontanen

Verkehr mit dem Volk für die Mitglieder des königlichen Hauses der Schlüssel und die beste Garantie zu finden seien, in Zukunft ein gesichertes Privatleben ohne Belästigungen und Übergriffe genießen zu können. Wie dem auch sei, die Juristen nahmen sich des aktuellen, durch die technischen Errungenschaften akut gewordenen Problems an, und bald wird ein Gesetz die unkontrollierte Verwendung von Telelinsen, Abhorchapparaten und übrigen Zaubergeräten, die in die intimsten menschlichen Bereiche vorzudringen und die elementarsten Menschenrechte zu verletzen vermögen, unterbinden und Reportern ein für allemal das Handwerk legen. Wie die Prinzessin selbst den Zwischenfall einschätzte, zeigt ihr bei der Verlobung unbekümmert hingeworfenes Wort: „Wir werden für alle Fälle auf Drakesteyn mehr Gebüsch anpflanzen lassen.“

Da die Entwicklung den Beteiligten und Verantwortlichen, einmal aus der Hand geraten war, drängte die Prinzessin auf eine schleunige Abwicklung der erforderlichen Maßnahmen und Formalitäten, damit man bald zum Ziel komme und die Verlobung in aller Form stattfinden könne.

Man räumte der sympathischen Prinzessin Beatrix gerne das Recht ein in dieser persönlichsten aller Fragen eine eigene Entscheidung zu treffen, fand sich allerdings nur schwer damit ab, daß die Wahl ihres Herzens ausgerechnet auf einen Deutschen gefallen war. In Kreisen des ehemaligen Widerstandes wurden Bedenken laut, der Ausschuß der 15 Altführer der Bewegung beeilte sich aber von den mißbilligenden Äußerungen Abstand zu nehmen. Auch ein Teil der Presse legte sich mächtig ins Zeug. Sozialistische Zeitungen wie „Het vrije Volk“ hatten an der Vergangenheit des „Erwählten“ einiges auszusetzen, wurden daraufhin von der sozialistischen „Partij van de Arbeid“ jedoch zurechtgewiesen.

Es stellte sich nämlich heraus, daß die niederländische Regierung, wachsam und aktiv wie eh und je, allen zuvorgekommen war und aus den besten Quellen die notwendigen Informationen bereits eingeholt hatte. Es gab da vor allem zwei dunkle Punkte, die geklärt werden wollten.

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