Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Ein nächtliches Intermezzo
Aber nein. Kaum drei Wochen nach diesen Erlebnissen und ungeachtet dessen, daß alle Proteste und Beschwerden Papens wegen der ihm und seinen Leuten angetanen Gewalt unbeachtet geblieben waren, sehen wir Herrn v. Papen ein neues Amt im Dienste Hitlers annehmen und ihn als deutschen Sondergesandten nach Wien gehen.
Die Umstände, unter denen das geschah, waren drastisch.
Am 26. Juli, wenige Wochen nach dem blutigen Juni-Sonntag, an dem drei seiner nächsten Mitarbeiter ermordet und er selbst schwer bedroht gewesen, war v. Papen mit seinem Sohne zu einem kurzen Aufenthalt in seiner' Wohnung in Berlin eingetroffen, um nach seiner angesagten Demission als Vizekanzler seine Uebersiedlung nach seinem heimatlichen Familienbesitz einzuleiten. Ueber die nächtliche Szene, die sich kurz nach seiner Ankunft in Berlin ' abspielte, erzählt Papen selbst:
„Nachts tregeri'2 Uhr werden wir durch scharfes Klopfen an der Haustüre geweckt. Beide sind wir der Ansicht, daß wahrscheinlich die: Gestapo uns beehre. Während mein Sohn, die Pistole schußbereit, die Türe öffnet, schlüpfe ich in .die Kleider.'Drei SS-Männer erklären, sie seien von der Reichskanzlei gesandt, um auszurichten,
Hitler wünsche mich dringend am Fernsprecher. Er sei in Bayreuth, und ich möge ihn sogleich anrufen. Wollen diese SS-Männer mich etwa in die Telephonzelle locken, um dort eine Kugel aus dem Hinterhalt anzubringen ? DieseUeber-legung, mir noch heute gegenwärtig, zeigt am besten- die unglaubliche innere Spannung jener Tage, die jede Rechtssicherheit vernichtet hatte.“
Doch diesmal gab es keine mörderische Kugel.'Durch die Reichskanzlei erhielt Papen sofort Verbindung mit Hitler in Bayreuth, der ihn über die Ermordung Dollfuß' unterrichtete und auf ihn eindrang, sofort als Gesandter nach Wien zu gehen, er sei jetzt der einzige Mann, der die gefährliche Situation wieder normalisieren könne, „denn, so höre ich“ — verzeichnet Papen in seiner Schilderung des Telephongespräches —. „seine (Hitlers) maßlos erregte Stimme: ',Wir stehen vor einem zweiten Sarajewo.'“
„Nach dieser aufgeregten Darstellung“, fährt Papen in seinem Berichte fort, „sage ich Hitler, das alles sei mir zwar völlig neu, aber nicht überraschend. Seit Monaten hätte ich ihm dringend geraten^ seine Politik gegenüber Oesterreich zu ändern. Ich bedauere sehr, daß in einer für Deutschland so vitalen Frage nun eine solche Lage entstanden sei. Indessen, nach den Ereignissen des 3 0. Juni könne er mir wohl nicht zumuten, eine neue Aufgabe im Dienste seiner Regierung zu übernehmen.“
Papen berichtet, auch als Hitler heftig insistierte, es handle sich um eine so ernste Situation — am Brenner seien bereits italienische Divisionen aufmarschiert — und an Papens Vaterlandsgefühl appellierte, habe er sich weiter geweigert, nach Wien als Gesandter zu gehen, habe aber dann zugestimmt, sofort zu einer mündlichen Aussprache zu Hitler zu kommen.
Wenige Stunden später traf er im Flugzeug in Bayreuth ein, und wieder nur wenige Stunden brauchte es, und alle kurz zuvor noch erfolgten Einsprüche Papens gegen den von Hitler ihm zugedachten Auftrag waren verflogen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!