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Digital In Arbeit

Magie und Verdrängung

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Es hätte ein netter, sommerlicher Abend unter Freunden werden sollen. Versammelt waren einige Akademiker, darunter Ärzte, der leitende Angestellte eines großen Verbandes, Architekten, Journalisten. Der Gastgeber war früher Gymnasiallehrer und lehrt jetzt Didaktik an der Universität.

Die Journalistin war gerade aus den USA zurückgekommen. Sie erwähnte nur so nebenbei, daß dort die Lehrer drei Wochen Urlaub pro Jahr haben, während sie bei uns dreizehn Wochen hätten. Zur Illustration setzte sie noch hinzu: ' „Wenn ich selten einmal am Nachmittag in meine Siedlung nach Hause komme, sitzen die Lehrer sicher schon im Garten, spielen mit ihren Kindern oder lesen in aller Ruhe ein Buch.”

Das war ein Stich ins Wespennest. Der Universitätsprofessor, der sich immer noch als Lehrer fühlt, reagierte äußert gereizt, es entspann sich eine über Stunden hingehende erregte Debatte.

Die Unterhaltung ging von den Lehrern zu den Beamten, von diesen zu den Journalisten und fuhr sich endültig fest bei den Einkommen und Pensionen.

Warum wird das hier erzählt?

Vor allem stellte sich heraus, daß der Informationsstand über das österreichische Pensionsrecht auch unter Akademikern sehr gering ist. Die unzähligen Artikel, die in den letzten Monaten zu diesem . Thema erschienen sind, wurden entweder nicht gelesen oder nicht zur Kenntnis genommen.

Offenbar handelt es sich dabei um einen Akt der Verdrängung. Was unangenehm zu werden verspricht, nimmt man lieber nicht zur Kenntnis, oder man schiebt die Schuld daran jemand in die Schuhe, der auch nichts dafür kann.

Dazu bieten sich die Journalisten geradezu an. Der Verwaltungsjurist sagte ganz offen, daß er die Journalisten für die Schuldigen hält. In Wirklichkeit sei es nicht so schlimm, die Presse übertreibe alles, nur um ihre Schlagzeilen zu haben; Zeitungen nähmen einige Extrembeispiele heraus und zögen daraus verallgemeinernde Schlüsse; überhaupt hetzten sie die einzelnen Bevölkerungsgruppen gegeneinander auf und verfolgten besonders die Beamten.

Irgendwie erinnert das an die Bräuche im alten Rom, wo bekanntlich der Überbringer schlechter Nachrichten umgebracht wurde. Ähnliche Magie scheint auch jetzt zu herrschen, wenn selbst die unbestrittenen Zahlen und Daten, die den politischen Verhandlungen zugrunde liegen, als journalistische Manipulation abgetan werden.

Es wäre aber kurzschlüssig zu meinen, es handle sich um ein Problem zwischen Medien und deren Konsumenten. Vielmehr geht es um ein Problem zwischen Politik und Bürgern: Zu lange ist diesen erzählt worden, der Staat sei eine große Versorgungseinrichtung mit schier unerschöpflichen Kassen. Daß das alles nicht gestimmt haben soll, verstehen sie nur schwer.

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