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Wir und die „Wilden“

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An keinem Brocken würgt die Gesellschaft von heute so sehr wie an der Jugendkriminalität. Sie hat viele Namen, wie sie auch viele Voraussetzungen hat: Erbanlagen, Einflüsse des „dritten Milieus“, fehlende Nestwärme, immer noch Notreaktion und zugleich Wohlstandskriminalität, Erziehungsfehler durch zuviel Güte genauso wie durch allzugroße Strenge. Alles ist richtig, erkannt und erforscht, und doch ist es unendlich schwer, im speziellen Fall den Hebel an der richtigen Stelle anzusetzen.

Der Film hat bisher, verführt durch seinen Hang zur Übertreibung oder zur schrecklichen Vereinfachung, zur Diagnose und zur Therapie verflucht wenig beigetragen — im Gegenteil, er gilt, mehr oder minder zu Recht, heute als einer der großen Verführer labiler oder zum mindesten seelisch angeknabberter jugendlicher Charaktere.

Um so verdienstvoller ist es, daß einmal aus Filmamerika, das bisher in einer bestimmten Speeles von Filmen vorwiegend die Waffen und Instruktionen für jugendliche Gewalttaten geliefert hat, ein Film mit echten Konflikten kommt: des jungen Fernsehregisseurs John Frankenheimers Film „Die jungen Wilden“. New York, die mit den Rändern nahezu zehn Millionen Menschen fassende Weltstadt, hat begreiflicherweise ihre besonderen Farben und Facetten der Jugendkriminalität. Der Film „Die jungen Wilden“ geht in die Peripherie der Stadt, in die auch im fettesten Wohlstand noch von gefährlicher Dürre knisternden Slums, in denen Terror, Messerkampf und Blutrache zwischen den einzelnen, bisweilen nach Rasse, Hautfarbe und Nationen differenzierten

Banden zum Tagesablauf gehören. Politik, Karrieresucht und Sensationsprozesse mischen die Karten bei dem Prozeß in dem Mord an einem blinden Portorikaner mit, der drei jungen Bandenmitgliedern ganz verschiedenen Charakters, vom kalten Würger über den komplexverhafteten „Minderwertigen“ bis zum schuldlosschuldigen Mitläufer, angelastet ist. Der ruhende Pol ist der Staatsanwalt (großartig untetspielt von Burt Lancaster), der, allen Versuchungen persönlicher Befangenheit und Drucke von oben trotzend, nicht zum Henker, sondern zum unbestechlichen Anwalt der Gerechtigkeit wird. Die Gewichte der Verantwortung sind wohl verteilt, der Stil des Films ist hart, aber nicht thrillernd, die Darstellung der drei Schuldigentypen von beklemmender Realistik.

Ein sehenswerter Film also für Erwachsene. Die Jugendlichen, die es im Grunde anginge, müssen wegen der eminenten Gefahr der Attraktivität solchen Anschauungsunterrichts leider wieder einmal ausgeschlossen bleiben. Ihnen kann nur von uns — und von ihnen selber — geholfen werden.

Filmschau (Gutachten der Katholischen Filmkommission für Österreich): III (Für Erwachsene und reifere Jugend): „Ramona“ — IV (Für Erwachsene): „Das Leben beginnt tun acht“, „Ein Toter spielt Klavier“, „Mörderspiel“, „Die Coman-cheros“, „Twist — daß die Röcke fliegen“ — IV a (Für Erwachsene mit Vorbehalt): „Der Tod fährt 1. Klasse“ - V (Abzuraten): „Gefährliche Liebschaften“, „Mörderisch“, „Das Mädchen im Schaufenster“.

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