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Zwei Wiener Brunnen

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Zu den Kunstdenkmälern Wiens, die in den letzten Monaten des Krieges schwer beschädigt worden sind, gehören zwei der schönsten Brunnen der Innenstadt: der „Providentia-Brunne n“, das Meisterwerk Rafael Donners, auf dem Neuen Markt, und der „A u s t r ra - B r u n n e n“ Schwanthalers auf der Freyung.

Hat man bei ersterem wenigstens noch den Trost, daß es sich bei seinen Figuren nur um Nachbildungen handelt, während die bleigegossenen Originale im Barockmuseum unversehrt geblieben sind, so sind die Originalfiguren des letzteren von Sprengstücken 'wie durchsiebt. Es wird wohl langer und mühsamer Arbeit bedürfen, diese Schäden zu beheben und die in ihrer biedermeierischen Art so typischen Flußgötter wieder zu heilen.

Vielleicht aber werden gerade diese Arbeiten Gelegenheit geben, ein zwar an sich belangloses, aber heiteres Geheimnis zu lüften, das diese Figuren umgibt: nämlidi, ob sie oder einige, oder doch eine von ihnen, wirklich, wie die Tradition wissen will, mit — Zigarren gefüllt sind. Die Vorgeschichte dieses Rätsels ist folgende. Als „Wiens Bürger“ anno 1846 diesen Brunnen stifteten, der nach dem Entwurf Schwanthalers, des Schöpfers der Münchner „Bavaria“, ausgeführt werden sollte, wurden die Figuren in des Meisters Münchner Werkstatt gegossen und sollten von ihm selbst nach Wien befördert werden. Nun aber war Schwanthaler ein leidenschaftlicher Raucher. Und um im „Monopol-Österreich“ nicht auf seine gewohnte Leibzigarre verzichten zu müssen, packte er eine ordentliche Ladung davon für sich und seine Freunde in seine Figuren oder doch in eine davon und schwärzte sie so glücklich nach Österreich ein. Aber auf der Fahrt erkrankte der Meister schwer und mußte in Wien sofort ins Spital. Als er dann, endlich genesen, das Krankenlager verlassen konnte, waren die Figuren längst aufgestellt, und zwar offenbar samt ihrem verfänglichen Inhalt. Zumindest wollte keiner der dabei beschäftigt gewesenen von. der kostbaren Ladung etwas bemerkt haben. Es ist also bis heute noch unentschieden, ob die geschwärzten Zigarren des guten alten Schwanthalers tatsächlich noch „im Brunnen“ liegen oder nicht.

Wenige Schritte vom „Austria-Brunnen“ weiter, Am Hof, ist übrigens ein anderes historisches Denkmal, zwar nicht durch die

Bomben, aber durch die Anlage des Löschwasser-Reservoirs vollends verschwunden. Allerdings war dieses Zeichen so unauffällig, daß es die wenigsten Wiener gekannt haben dürften. Es war ein mit schwarzen Steinen ausgelegtes Kreuz im Pflaster, etwa halbwegs zwischen der Mariensäule und der Bognergasse, in dieser Form: -r|r- Dieses Kreuz erinnerte an das Sturmjahr 1848. Denn hier, vor dem einstigen Hofkriegsratsgebäude, stand bis zu jenem Jahre ein großer, drei-armiger, eiserner Kandelaber, und an dieser Laterne endete am 6. Oktober 1848 der Kriegsminister Graf Latour unter den Fäusten des Wiener Pöbels sein Leben. Nach der Niederwerfung Wiens durch Windischgrätz wurde diese Laterne sogleich entfernt. Sie ist oder war wenigstens, bis vor kurzer Zeit, noch erhalten, und zwar im Hof eines Hauses auf der Hernalser Hauptstraße. Wie sie dahingekommen, ist unbekannt. Die Stelle aber Am Hof, wo sie einst gestanden, wurde bis in die jüngste Zeit von der Wiener Pflasteferinnung traditionsgemäß mit jenen schwarzen Steinen in Kreuzesform bezeichnet.

Doch wenden wir uns weiter zum Neuen Markt. Auch der wundervolle Brunnen Rafael Donners, nun so traurig geborsten und verstümmelt, birgt ein Geheimnis, wenn auch in ganz anderem Sinn als der „Austria-Brunnen“. Denn in der so graziös thronenden Mittelfigur, der „Providentia“, hat einst Rafae' Donner seiner Jugendliebe Simone ein unvergängliches Denkmal gesetzt. Diese Simone, die Tochter eines französischen Coif-fers, war nämlich die reizende junge Frau eines grämlichen alten Lebkuchenbäckers und Hausbesitzers vom Mehlmarkt und zu ihrer Zeit in ganz Wien bekannt als „die schöne Lebzelterin“. Der angehende junge Künstler Rafael Donner bewohnte in ihrem Haus ein Dachstübchen und war bald in glühender Liebe zu seiner schönen jungen Hausfrau entbrannt. Er modellierte sie in Wachs und diese Büste war es, die den kunstsinnigen Prinzen Eugen von Savoyen so begeisterte, daß er dem jungen, unbekannten Künstler die Tore zu Erfolg und Ruhm öffnete. Als Donner dann später, im Jahre 1739, mit der Schaffung des Brunnens für den Mehlmarkt betraut wurde, gab er der alles überstrahlenden, unendlich graziösen Mittelfigur Gestalt und Züge seiner einst so schwärmerisch verehrten schönen Simone und setzte so seiner Jugendliebe dieses unvergleichliche Denkmal.

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