Animal Farm.jp - © Foto: © Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

„Animal Farm“ an der Staatsoper: Macht korrumpiert

19451960198020002020

Orwells Klassiker lässt sich auch glänzend in Musik umsetzen. Das zeigt die Wiener Staatsoper mit ihrer akklamierten Erstaufführung von Alexander Raskatovs gleichnamiger Oper.

19451960198020002020

Orwells Klassiker lässt sich auch glänzend in Musik umsetzen. Das zeigt die Wiener Staatsoper mit ihrer akklamierten Erstaufführung von Alexander Raskatovs gleichnamiger Oper.

Werbung
Werbung
Werbung

Wie wär’s, wenn nicht Menschen, sondern Tiere die Macht übernehmen, weil sie der Herrschaft der Menschen überdrüssig geworden sind? Darum geht es zumindest vordergründig in George Orwells „Märchenerzählung“; so charakterisiert der Autor seine düstere Fabel „Animal Farm“. Tatsächlich bedient er sich hier der Form einer satirischen Parabel, um die einstige Sowjetdiktatur zu geißeln. Unschwer lassen sich die einzelnen Protagonisten der damaligen Nomenklatura zuordnen. Dennoch hat diese Abrechnung mit autoritären Regimen nichts an Aktualität eingebüßt, im Gegenteil.

Vor allem die klare Zeichnung der Charaktere bei Orwell inspirierte den Regisseur Damiano Michieletto, den stets für brisante literarische Stoffe (darunter Heiner Müllers „Germania 3“) aufgeschlossenen Komponisten Alexander Raskatov anzuregen, zu diesem Sujet eine Oper zu schaffen. Der seit Jahrzehnten in Deutschland lebende gebürtige Moskauer sagte zu. Die Opernhäuser von Amsterdam, wo dieses Werk im Vorjahr uraufgeführt wurde, und Wien konnten als prominente Auftraggeber gewonnen werden. Dass der Komponist am Tag von Stalins Beerdigung, dem 9. März 1953, geboren wurde, verleiht diesem avancierten Musiktheater eine zusätzliche Note.

„ALL ANIMALS ARE EQUAL“, prangt in Leuchtschrift als Motto und gleichzeitig als Warnung im Hintergrund der Bühne. Wie bei den Menschen gilt auch bei den Tieren, dass sich manche gleicher wähnen als andere und das meist mit brutaler Gewalt durchzusetzen versuchen. Die Musik drückt das durch einen ungewohnt hohen Anteil von Schlagwerkinstrumenten in der Orchesterbesetzung aus. Zudem nimmt Raskatov in diesem in neun Szenen und einen Epilog gegliederten Zweiakter zahlreiche Anleihen an der „Sprache“ der Tierwelt. Deshalb dürfen die Sängerinnen und Sänger herzhaft wiehern oder grunzen. Die sich in ihrer Eitelkeit aalende Schimmelstute Mollie stellt sich gar mit halsbrecherischen Koloraturen ein, wodurch man in diesem Mensch-TierSammelsurium – die Darsteller treten meist mit unterschiedlichen Tiermasken auf, ohne damit auch nur einen Augenblick peinlich zu wirken – überraschend auch einer Diva begegnet.

Dass bei so mancher musikalischer Szene die Klangwelt eines Prokofjew oder Schostakowitsch Vorbild war, tut nichts zur Sache. Der Komponist versteht diese Inspirationsquellen bruchlos in seine persönliche musikalische Sprache einzubinden. Dabei ist er stets penibel auf Textdeutlichkeit bedacht, womit sich diese Oper als eine Art Konversationsstück präsentiert, in dem Ernsthaftigkeit, das schicksalhaft Fatale dominiert, Komik rasch als Sarkasmus dechiffriert wird.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung