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Aus Utah in den USA

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Im Rahmen einer 15 Konzerte umfassenden Europatournee konzertierte das Utah Symphony Orchestra unter seinem ständigen Leiter Maurice Abravanel im Großen Musikvereinssaal. Obwohl kein einziges klassisches oder romantisches Werk auf dem Programm stand, war der Saal, vor allem natürlich mit Amerikanern und dem Orchester nahestehenden Kreisen, zu etwa zwei Drittel gefüllt. Und man wurde nicht enttäuscht. Zu dem, was dieses zu einem beträchtlichen Teil aus jungen Leuten bestehende Orchester ist, hat es der heute etwa 60jährige Dirigent Abravanel gemacht, der — dem Namen nach von armenischer Herkunft — nach zwanzigjähriger Emigration zum erstenmal wieder nach Europa zurückkehrte, um sein Orchester zu präsentieren (vor 1933 war er in Berlin, Paris und Kassel tätig). Maurice Abravanel gilt auch als ausgezeichneter Mahler-Dirigent, und man konnte nur bedauern, daß er nicht im ersten Teil seines Konzerts ein kürzeres Werk des Wiener Meisters gespielt hat...

Statt dessen hörten wir eine unbekümmert fröhlich-lärmende, zum Glück aber nur drei Minuten dauernde Lustspielouvertüre (zu „Candide“) von Leonard Bernstein.

— Recht laut ging es zunächst auch in der VI. Symphonie von Ralph Vaugham Williams zu, der 1958 gestorben ist und diese seine vorletzte Symphonie im Alter von 75 Jahren geschrieben hat. Das war etwa 1947, und die tragisch-bedrückte Stimmung der letzten Kriegs- und der ersten Nachkriegsjahre klingt unüberhörbar aus dem monumentalen,

pausenlos durchgespielten vier- sätzigen Werk. Statt des Adagio steht ein von der Militärtrommel rhythmisch markiertes „Moderato“. Nach einem eher aufwühlenden als heiteren Scherzo folgt der schönste, ausgedehnteste (und leiseste) Teil, ein ruhig dahinfließender „Epilog“, der in gedämpften Streichern und leisen Holzbläserrufen verklingt.

Der zweite Teil, ebenfalls recht laut und ein wenig hemdsärmelig musiziert, brachte Prokofieffs bekanntes 3. Klavierkonzert, in dem sich der hierorts unbekannte Grant Johannsen stürmischen, wohlverdienten Sonderapplaus erspielte, und zum Abschluß Strawinskys immer wieder applaustreibende „Feuervogel“ -Suite in der Fassung von 1919. Hier konnte das Utah-Orchester auch eine gewisse Brillanz entfalten: in der Präzision der Streicher, von denen sich besonders die auffallend schönen Kontrabässe auszeichnen, sowie in bemerkenswerten Ensemble- und Sololeistungen der anderen Instrumentalgruppen. In unseren Breiten auffallend: im

Orchester, hauptsächlich bei den Violinen, wie sich das gehört, sitzen etwa 20 Damen, meist junge und hübsche. Die meisten der Orchestermitglieder sind Mormonen, die in Utah schon seit mehreren Jahrzehnten ein intensives und dem Zeitgenössischen aufgeschlossenes Interesse speziell für Orchestermusik zeigen. — Vergeblich schaute man sich im Saal und in den Logen nach einigen offiziellen Vertretern der USA in Wien um. Dafür gab’s im Publikum um so mehr US-Bürger.

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