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Boulez in Basel

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Vor etwa einem halben Jahr ist es Paul Sacher gelungen, Pierre Boulez, den führenden Kopf der musikalischen Avantgarde, als Lehrer für Komposition an die Basler Musikakademie zu berufen. Um in dem Kpnzprtpublikunj als. Piligeßten. und Komponisten »ojEzustellen, véranstaltéte der Lçite 4äsleaf, : Kammerorshisters ein Extrakonzert, in dem das Südwestfunkorchester Baden-Baden unter der Leitung von Boulez erst Alban Bergs „Drei Or- cbesterstücke“ (op. 6, in der Neufassung von 1929) und dann „Pli selon pH“ (1957 bis 1960), das Portrait de Mallarmé von Boulez, vortrug. Die drei Sätze Präludium, Reigen, Marsch, die in so hohem Maße der Symphonik Mahlers verpflichtet sind, erfuhren eine meisterhafte Interpretation durch Boulez, der zu Berg offenbar ein echtes Verhältnis besitzt, obgleich er vor nicht allzu langer Zeit sein freches „Schoenberg est mört“ in die Welt hinausschrie. Das Basler Publikum, nicht sonderlich vertraut mit dem Schaffen der neuen Wiener Schule, ging spontan mit, während ihm der Sprung zu Boulez — über fast 50 Jahre ereignisreiche Musikgeschichte hinweg — nicht völlig zu gelingen schien.

„Pli selon pli“, in der jetzt wohl endgültigen fünfsätzigen Form, ist 1960 beim Kölner IGNM-Fest uraufgeführt worden. Zwei der drei für sich bestehenden Mittelteile (Improvisations sur Mallarmé I bis 111) sind älteren Datums. Sie werden jetzt, eingeleitet durch „Don“, dem Klavier (Maria Bergmann) allein überantwortet. Den Beschluß bildet das „Tombeau“.

jene (nunmehr überarbeitete) Komposition, die letztes Jahr zum Gedächtnis des verstorbenen Fürsten in Donaueschingen uraufgeführt wurde. Jeder dieser fünf Sätze ist eine verdichtete, aus flimmernden Klang- .figHCSfl. geschaffene ehfsäischg Ldd sdhaft aus ,Tönen, in dér die Zeit als Qualität (nicht als-llhrzeit) strukturiert worden ist. Die drei Improvisationsteile sind eitel Wohlklang; sie werden von vier Harfen, Metallophonen und anderen Schlagzeugen (Xylophonen und Vibraphonen, Röhren- und Plattenglocken) und vorübergehend auch unter Hinzuziehung von Streichbässen und Flöten vorgetragen. Erst im „Tombeau“ treten dann auch Streicher und Bläser hinzu. Jeder der ungemein konzentrierten, spannungsvollen und ingeniösen Sätze ist für sich allein betrachtet ein Meisterwerk. Als ganzer Zyklus von 55 Minuten Dauer ist „Pli selon pli“ jedoch etwas fragwürdig, da die relativ langen Sätze einander sehr ähnlich sind und sich Kontraste wenigstens bei den Mittelteilen nicht einstellen. Man mußte feststellen, daß sich das gelegentlich an indonesische Orchestermusik gemahnende Klangspiel trotz nie absinkender Spannung doch rasch abnutzt. Originell jedenfalls ist die Idee, auf Texte von Mallarmé (gesungen von Eva-Maria Rogner) zu greifen. Der französische Dichter hat für die seriellen Komponisten unserer Tage eine große Bedeutung erlangt, nahm er doch ein höchst aktuelles Schaffensprinzip voraus: die Verbindung von Wortstruktur mit offener, improvisatorischer Form.

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