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„Der Tag des Gerichts“ und „Dettinger Te Deum“
Das „S i n g g e d i c h t in vier Betrachtungen“ von Christian Wilhelm Alers, einem — nach der Definition Romain Rollands — „freisinnigen, keineswegs pietistischen Mann“, beginnt mit einem Streitgespräch zwischen Gläubigen, Unglaube, Spötter, Vernunft und Religion. Daß hiebei „Die Vernunft" auf der Seite des „Glaubens“ steht, ist für jene Zeit und ihre geistige Situation überaus charakteristisch. Die zweite Betrachtung schildert das Gericht, die dritte und vierte den Sieg und das Glück der „Seligen“. G. Ph. Telemanns Musik bezeugt, wie sich innerhalb eines ausgeprägten und hochentwickelten Zeitstils und mit einer fast schon Allgemeingut gewordenen formalen Technik auch das mittlere Talent, ohne geniale Einfälle, mit Anmut bewegen kann. Der (einzige) Choral — in der dritten Betrachtung — mit seinem süßen Wohllaut und den elegant-gefälligen harmonischen Wendungen erweist sowohl die gewaltige Überlegenheit J. S. Bachs (den Telemann, der berühmteste Komponist seiner Zeit, beim Wettbewerb um das Leipziger Thomas-Kantorat ausstach) als auch seine spezifische Eigenart. — Der Aufführung durch die Wiener Singakademie und die Symphoniker unter Hans Swarowsky fehlte die letzte Feile. Auch die Solisten (Felbermayer, Anday, Terkal und Braun) waren teilte mit dem Stil nicht vertraut, teils den technischen Anforderungen nicht ganz gewachsen. — Das gleiche Ensemble führte auch das „D e 11 i n- ger Te De um“ von Händel aus, eine seiner letzten kirchlich-staatlichen Kompositionen in großem repräsentativem Stil und mit zeremoniöser Wirkung. Auch wenn man bei Telemann Längen und Leerläufe feststellt und das „Te Deum" mehr durch Klanggewalt überwältigt als durch Gehalt überzeugt, ist es wichtig und verdienstvoll, solche Werke aufzuführen und sie dem Archivtod zu entreißen.
Das 2. Philharmonische Abonnementkonzert leitete Wilhplm Furtwängler, und es war für alle, die dabei waren öder die Übertragung im Rundfunk gehört haben, eine wirkliche Freude, feststellen zu können: in alter Frische. Zwischen Beethovens Erster und der „Eroica“ standen die „Lieder eines fahrenden “Gesellen". von Mahler, faszinierend und ergreifend in ihrer einmaligen Mischung von Volksliedton, Sentiment und Weltschmerz (Solist: Alfred Poell). Die Beethoven-Interpretation Furtwänglers und die Vollkommenheiten der Philharmoniker beschreiben zu wollen, hieße Eulen nach Athen tragen. Es war ein festliches, echt philharmonisches Furtwängler-Konzert.
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