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Ein neues Marienoratorium

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Mit der Uraufführung des Marienoratoriums von Hermann Kronstein er’in der Stadtpfarrkirche, einer der ehemaligen Wirkungsstätten Bruckners, fiel Linz ein Ereignis zu, das mehr als lokale Bedeutung beanspruchen darf. Hermann Kronsteiper, wie sein Bruder Josef, der- Linzer Domkapelluieister, Priester und Musiker Zugleich, kommt aus der Schule Johann Nepomuk1 Davids, konnte aber seine Studien noch in Rom ergänzen. Mit seinem bisher größten Werk, dem Marienoratorium, das eine Aufführungsdauer von fast zwei Stunden hat, erweist er sich erneut als einer der berufensten unter den katholischen Kirchenkomponisten der jüngeren Generation.

Das Werk besteht aus drei Teilen, die Maria als Magd, als Mutter und schließlich als Königin verherrlichen. Die Texte entstammen dem Alten und Neuen Testament, dazu kommen Dichtungen von Gottfried von Straßburg, Gertrud von Le Fort und Wiborada Maria Duft sowie im großartig gesteigerten Schluß die Lauretanische Litanei und der Choral „Nun freu dich, aller Frauen Preis". (Die Verwendung des Liebeshymnus aus dem Hohenlied als Wiegenlied Mariä kann dabei ebenso nur in mystischer Umdeutung verstanden werden wie die Stelle „Der König gewann sie lieber als alle anderen Frauen" aus dem Buch Esther.)

Die aufgebotenen klanglichen Mittel sind zwei getrennt aufgestellte Chöre, die zumeist a capella singen, Streichorchester, das in der Hauptsache die erzählenden Rezitative zu begleiten und zu untermalen hat, Orgel, der zwei von den drei Teilvorspielen anvertraut sind, dazu eine Sopransolistin als Stimme der Maria, eine Altsolistin für die Worte der Verkündigung und ein Tenor als Erzähler oder Evangelist. Stilistisch geiingt Kron- steiner eine sehr persönlich gefärbte Synthese unterschiedlichster Elemente von alter Falso-bor- done-Technik über niederländisch-venezianische Doppelchörigkeit und bachische Rezitativbehandlung bis zu den höchst anspruchsvollen Gesängen der Maria. Thematisch spielt das über den Dreiklang zur Sext aufsteigende und von da zur Quint zurückfallende Salve-Regina-Motiv eine beherrschende Rolle, daneben aber gibt es eine Fülle von Einfällen, die meist mit ganz geringen Mitteln, aber höchst wirksam, diese oder jene Textstelle ins Licht rücken oder eine Situation schlag kräftig charakterisieren. Die Gesatpthaltung des Werks ist die einer edlen Volkstümlichkeit bei meisterlicher Kunstmäßigkeit. Damit aber ist Kron- steiners Marienoratorium nicht nur dem Vorwurf und dem Text nach, sondern auch in seiner musikalischen Gestaltung ein wahres Volksoratorium.

Zur Uraufführung, die unter der Leitung von Domkapellmeister Josef Kronsteiner stand, vereinigten sich der Domchor, der vom Komponisten geleitete Petrinerchor und das Streichorchester des Landestheaters mit der Organistin und mehreren Gesangssolisten zu ergreifender Gesamtwirkung.

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