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Gepflegte Vielfalt

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Sichtbar findet die heimische Kammermusik aus dem bunten Chaoi der ersten Nachkriegsjahre wieder zur gepflegten Vielfalt von ehedem. Alte und neue Quartettvereinigungen teilen sich als erbliche Hüter in das unerschöpfliche Erbe, in selbstgewählter Isolation verharrend oder di® Grenzen bis in unbekanntes Neuland erweiternd. Und wenn ihnen allen — vorderhand zumindest — das einmalige Klangerlebnis des Pariser Pascal. Qartetts, uns noch in Ohr und Traum, in seiner unvergleichlichen Differenziertheit unerreichbar bleibt, geben sie doch unserem Musizieren wieder Gestalt und Fülle und den ebenso unnachahmlichen Unterton de Gemüts. In diesem Sinne klingen uns Beethovens Streichquartette, vom Schneiderhan-Quartett gespielt, echter und tiefer als von allen ändern, was durch die klassische Interpretation, besondes des F-dur- Quartetts op. 135, jüngst wieder überzeugend dokumentiert wurde. Schuberts von Alfred Orel ergänzter Quartettsatz c-moll (1814) erklang in der Wiedergabe des Weißgärber-Quar- t e 11 s ebenso zeitlos wienerisch wie Franz Salmhofers wesentlich leichter anmutendes Streichquartett f-moll. Brahms’ blühendes Klarinettenquintett op. 115 brachte das Prix-Quartett mit Friedrich Wildgans als Solisten zu unmittelbar lebendiger Wirkung, was bei Pfitzners Klaviertrio und Frieda Kerns spielerischem Streichquartett nur teilweise gelang.

Otmar Suitner entfaltete in einem Klavierabend klassischer und zeitgenöss scher Musik auf dem Unterbau fulminanter Technik eine feine lyrische Kunst, die besonders in den Stücken von Debussy überzeugte. Beethoven allerdings empfinden wir weniger romantisch und Bach weniger impressionistisch. Dagegen errangen Turinas „Zirkus“ und Dohnanys Rhapsodie den verdienten Beifall besonders brillanten Spiels.

Ein Orgelabend mit Werken Franz Schmidts (zu dessen 10. Todestag) bot neben Bekannterem die geniale C-dur-Toccata, eigenartige, zugleich an Bach und Brahms erinnernde Choralvorspiele, sowie die viersätzige Chaconne cis-mol'l. Die künstlerische Interpretation durch Franz Schütz muß trotz gelegentlich schriller Registrierung vorbehaltlos anerkannt werden — nicht so vorbehaltlos seine schriftlichen Kommentare zu Franz Schmidt; einmal, weil der Solist durch Spielen, nicht durdi Schreiben überzeugt, zum ändern aber, weil sein Stil ungenießbar ist. „Ich habe yeranlaßt..„Mir wurde gemeldet...“, „Ich behalte mir vor...“ und ähnliche Redensarten entstammen einem verblichenen lächerlichen Voka. bular, vermehren die — voll gewürdigte — Bedeutung Schmidts nicht um ein Jota und am wenigsten die seines bescheidenen Wortführers. Weniger Fortissimo wäre — im doppelten Sinne — geschmackvoller. Und wenn Franz Schütz sich „vorbehält“, gelegentlich noch mehr zu diesem Thema zu schreiben, tun wir unsererseits das gleiche.

Dagegen gestaltete das Konzerthausquartett in nobler, gleichsam diskreter Weise eine Franz-Schmidt-Feier. Das Streichquartett A-dur und das Klavierquintett G-dur, letzteres durch die blitzsaubere pianistische Leistung des jungen Jörg Demus in seiner Wirkung erhöht, bewiesen auch ohne Kommentar die unbekümmert musikantische Natur und die hohe Musikkultur des Komponisten, der zeitlebens mehr musizierte als problemisierte. Klassisdi im Aufbau der Ecksätze und besonders im Kontrapunktischen einfallsreich, in seinen Variationen meist beim Figuralen verharrend, behält seine Kammermusik die durchschimmernde Kadenz als unveräußerliche Substanz. Fanatische Musizierfreude erweist ihn über alle Wertungen hinaus als legitimen Erben schübertischen Musizierens, wie sie unsere Quartette bei aller Verschiedenheit von Tönung und Stil als die legitimen Erben Schuppanzighs und seiner Nachfolger erweist, auch wenn ihnen die flimmernde Subtilität des Pascal-Quartetts vorderhand unerreichbar bleibt.

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