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„Hohe Messe“ und „Stabat mater“

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Den großartigen Abschluß des Ersten Europäischen Chorfestes bildete eine höchsten Ansprüchen gerechte, monumentale Wiedergabe von Johann Sebastian Bachs Hoher Messe für Soli, Chor, Orchester und Orgel, ausgeführt von einer Elite vokaler und instrumentaler Solisten, dem Chor des Singvereins und dem Orchester der Wiener Symphoniker, inspiriert und dirigiert von Herbert von K a r a j a n. Von den (nicht häufigen) Aufführungen dieser die liturgischen Grenzen sprengenden, dennoch absolut sakralen Messekomposition war diese in ihrer musikalischen Leistung und Geschlossenheit, aber auch in ihrer geistig-weihevollen Haltung der besten eine, in der nicht mehr die Formen der Kantatenmesse, die zerteilten Textteile oder irgendwelche andere Einzelheiten gehört und empfangen wurden, sondern nur noch die Größe des schöpferischen Geistes in seinem größten, dem Gotterlebnis. Mehr zu sagen, wäre weniger.

Am Rande des Chorfestes, aber auch am Rande des sakralmusikalischen Bereiches bewegte sich das von Ferenc F r i c s a y geleitete Konzert der Wiener Singakademie, der Wiener Sängerknaben und der Symphoniker, auf dessen Programm der „P s a 1 m u s hungaricus“ von Zöltan Kodäly und das „Stabat mater“ von Rossini standen. Bricht die Musik Kodälys in ihrer Hymnik noch zur echten sakralen Note durch, so schreibt Rossini eben seinen (in diesem Spätwerk allerdings geläuterten) Stil der opernhaften Formen und Melodien, und es ist staunenswert, wie diese oft recht weltlichen Einfälle durch die Qualität und den geistigen Habitus der Wiedergabe — und wohl durch die sakrale Kraft des Textes — am Ende dennoch zu fast kirchlicher Weihe gelangten. (Was wieder einmal gegen allen Formalismus und für die schöpferische Persönlichkeit spricht.) . .

Neben den großen Aufführungen im Stadtzentrum gab es in den Wiener Gemeindebezirken eine Fülle von kleineren, indes nicht weniger erfreulichen musikalischen Erlebnissen. Stand doch das Chorfest im Rahmen der Wiener Festwochen, und wie die Altert sungen, so zwitscherten die Jungen. Da gab es, um nur ein Beispiel zu nennen, einen „Modernen Abend“', den die Musikschule Döbling im Kleinen Festsaal des Bezirksamtes beging, und bei dem Kinder und Lehrer abwechselnd Instrumentalmusik von Alban Berg, Ernst Krenek, Hanns Jelinek, Bela Bartok, Paul Hindemith und Franz Schmitzer musizierten — zur Begeisterung der Zuhörer, die Reihenwerk und Zwölftonfibel gewiß selten oder nie mit solcher schwerelosen Selbstverständlichkeit musizieren hörten. Im „Mikrokosmus“ der Musikerziehung darf man angesichts solcher Resultate den Leiter der Döblinger Musikschule, Franz S c h m i t z e r, mit Recht einen der fähigsten Lehrer nennen.

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