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Kantate von Honegger
Zum 25jährigen Jubiläum des Basler Kammerchors im Frühjahr 1953 hatte Arthur Honegger dem Chor und seinem Gründer Paul Sacher als Zeichen der Dankbarkeit für vieljährige künstlerische und menschliche Verbundenheit eine Kantate zugedacht, die aber infolge Erkrankung des Komponisten nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte und erst vor Weihnachten 1953 ihre Uraufführung erlebte. Honegger hat für dieses Werk auf Musik zurückgegriffen, die er 1940 . für eine . Passion" skizzierte, die er nach Worten des Schweizer Dichters Cäsar von Arx für das Städtchen Selzach im Kanton Solothurn komponieren wollte. Infolge des plötzlichen Todes des Dichters blieb das Werk unvollendet. Aus dem ersten Teil der Passion, die mit der Geburt Christi abschloß, wurde nun „Eine W e i h n a c h t s k a n t a t e", in der ein aus Solobariton, gemischtem Chor, Kinderchor, Orchester und Orgel gebildeter Klangkörper das Mysterium von der Geburt des Herrn musikalisch verherrlicht. Die klassische Form der Kantate wird durch sinnreiche Kombination frei gestalteter Chöre mit Sologesängen und populären 5)7eihnachtsliedern erfüllt. Sowohl in der Neuerfindung der großen Chorsätze und Ariosi als auch in der kontrapunktischen Verschlingung und machtvollen Steigerung der vorgegebenen Liedmelodien zeigte sich die ungebrochene Schaffenskraft des körperlich schwer leidenden Komponisten.
Ueber dumpf „läutenden" Orgelklängen erhebt sich, zu marschartigen Rhythmen gesteigert, im Eingangschor der um Erlösung flehende Ruf „De profundis clamavi ad te Domine". Dem ersten, freudig Verheißung des Messias kündenden Einsatz der Kinderstimmen antwortet der Chor noch immer klagend, in scharfen Dissonanzen. — Diese Gegenüberstellung von Freude und Trauer erschien uns als einer der ergreifendsten musikalischen Momente des ganzen Werkes! — Die Heilsverkündigung der Solostimme („Fürchtet euch nicht…") leitet über zu der Intonation der Weihnachtslieder, die in immer mächtigerem Ausschwingen allmäh lich übereinander geschichtet werden und schließ-1 lieh alle zugleich erklingen. Die Steigerung, die hier bei fast unverändert bleibender Dynamik mit rein „thematischen" Mitteln erzielt wird, ist ein. überwältigendes Meisterstück. — Das vom Bariton angestimmte „Gloria" führt zu dem allgemeinen abschließenden Jubelchor („Laudate Dominum“), dessen Orchesternachspiel allmählich in den mystischen Orgelklängen des Anfangs verdämmert. — Die Vereinigung von reifster Kunsterfahrung mit aus echtem Glauben kommendem Musizieren gibt der „Weihnachtskantate" Honeggers — dem ersten Kantatenwerk des Kompo-1 nisten — das wesentliche Gepräge. — Die von Paul Sacher mit stärkster innerer Beteiligung geleitete vorzügliche Aufführung in Basel hatte ausgesprochen festlichen Charakter, der noch durch die persönliche Anwesenheit Honeggers erheblich gesteigert wurde.
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