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„Manon“ — Kritik der Galerie
Die Zahl der Musikfreunde, für die „Manon Lescaut“ die liebste unter allen Puccini-Opern ist, mag gar nicht so gering sein, obwohl sie noch kaum einen jener „Schlager“ enthält, welohe die späteren Werke des Meisters des italienischen Verismo so populär gemacht haben. Hier, in „Manon“, ist alles noch jugendfrisch, unverbraucht und die Inspiration von größter Ursprünglichkeit, aber Instrumentierung sowie Behandlung der Singstimmen zeigen bereits die Hand des Meisters. Die Inszenierung dieses Werkes vor neun Jahren durch Günther Rennert mit den schönen und überaus stimmungsvollen Bühnenbildern Stefan Hlawas und den Kostümen Erni Knieperts gehörte zu den Glanzstücken unseres Puccini-Reper- toires. Aber die Bilder sind verblaßt, und von der Beweglichkeit und der lebhaften Führung der Personen durch den Stuttgarter Meisterregisseur ist wenig übriggeblieben. Darunter litt vor allem der 1. Akt. Doch von Bild zu Bild steigerten sich lyrische Stimmung und dramatische Spannung, so daß es bereits im 2. Akt (Haus Gerontes, Duett Manon-Des Grieux) zu einem echten Höhepunkt kommt. Der Schluß aber, in der trostlosen Wüste von New Orleans, ließ kaum einen szenischen Wunsch offen. Und schon gar keinen, was die beiden Hauptakteure betrifft. Sie hießen Antonietta Stella und Gastone La- marilli. (In den übrigen Partien: Kostas Paskalis, Ludwig Weiter, F.rmnnno Lo- renzi und andere.) Mario Rossi aber, der der Wiener Staatsoper viel zu lange ferngeblieben war, schätzen wir immer mehr als einen der nobelsten Interpreten dieses Genres,’ das durch Übertreibung leicht vergröbert und verkitscht werden kann. Zwischen ihm und dem Orchester der Philharmoniker herrschte vollkommene Übereinstimmung in der Art des feinen, nuancenreichen und fließenden Muisizie- rens, das von Zaghaftigkeit ebenso weit entfernt war wie vom Reißerischen. (In ähnlicher Art hat übrigens, vor Jahren, auch Mitropoulos diese Partitur interpretiert.)
Um so unverständlicher und beschämender war das Verhalten einiger Galeriebesucher, die immer wieder den Applaus zu unterbrechen versuchten und durch Zischen, ja sogar durch Zwischenrufe (wobei sich eine Frauensperson zusätzlich durch hysterisches Gelächter unangenehm bemerkbar machte) den Beginn des 2. und des 3. Aktes störten, so daß der Dirigent abklopfen mußte. Diese unverschämten Flegeleien einiger fanatisier- ter Jugendlicher sind um so mehr zu verurteilen, als es sich dabei keineswegs um aufs Künstlerische der Aufführung zielende Meinungskundgebungen handelte, sondern ganz einfach um Störversuche, die heute diesem, morgen einem anderen Dirigenten gelten können. Da nicht einzusehen ist, warum sich ein vollbesetztes Opernhaus von einer kleinen Clique terrorisieren lassen muß, sind drastische Maßnahmen am Platz, um sowohl das Publikum wie auch die Gäste diesseits und jenseits der Rampe vor Belästigungen zu schützen. (Die besprochene Aufführung fand, bei aufgehobenem Abonnement, im Rahmen der Italienischen Kulturwochen in Wien statt.)
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