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Oper, Ballett und Konzert in Graz

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In jahrelanger, mit hartnäckiger Konsequenz durchgehauener Arbeit hat sich Intendant Andre D i e h 1 dem Ziel genähert, das er sich für die Grazer Oper gestellt hatte: aus seinem Betrieb ein Repertoiretheater zu schaffen. Dem Opernfreund ist so die Möglichkeit geboten, innerhalb einer Saison eine recht beachtliche Zahl von Werken des Musik-theaters aus den meisten Epochen zu sehen. Der Bogen ist weitgespannt: er reicht etwa von Gluck über Wagner und die Italiener zu Richard Strauss und zur Moderne. Daß das Niveau der meisten Aufführungen kaum jemals unter das eines gepflegten mittelgroßen Opernhauses fällt, dafür sorgt außer dem Intendanten heuer vor allem der außerordentlich fähige musikalische Chef Günther Wich, der neben seiner künstlerischen Legitimation auch die sympathische Eigenschaft besitzt, dem Haus, an das er verpflichtet ist, auch zur Verfügung zu stehen — selbst dann, wenn lockende Gastspielangebote ihn zum „Reisedirigenten“ machen möchten. Jüngst hat er mit einer schön gelungenen Neueinstudierung des „N a b u c c o“ — einer Lieblingsoper der Grazer — seine Verbundenheit mit dem Verdi-Stil dokumentiert. Eine weitere Bereicherung des Spielplans ergab sich durch Donizettis „Don Pasqual e“. Das liebenswürdige Werk war von F. Wolf-Ferrari ebenfalls liebenswürdig und gemütlich, aber leider nicht immer genug animierend und spritzig inszeniert worden. Wolfram Skalicki bewies mit seinen Dekorationen wieder aufs neue Geschmack und Intelligenz. Er stimmte das zarte und zärtliche Bühnenbild auf den Grundton „Jalousie“ ab, eine Lösung, die optisch hervorragend ist und in ironischem Hintersinn auf die Grundbedeutung des Wortes anspielt. Der junge Dirigent Alfred Walter zeigte sich zwar noch etwas überfordert, scheint aber für die ''Zukunft manches zu versprechen.

Vor einiger Zeit hat sich auch das Ballettkorps mit einem eigenen Abend in das Repertoire eingegliedert. Der neue Ballettmeister Jean D e r o c hat den Ehrgeiz, das Opernpublikum auch zu ein^m verständigen Ballettpublikum zu erziehen. Der erste Schritt, den er mit der Gruppe auf diesem Wege tat, war zweifellos nicht daneben gesetzt. Als Einstimmung ließ er Bizets „Symphonie in C“ als klassische Suite tanzen und legte damit ein Bekenntnis zur traditionellen Form und deren unabdingbaren Beherrschung durch den Tänzer ab. Menottis „Sebastian“ — zum erstenmal von einem österreichischen Ensemble gezeigt — war die Novität des Abends. Der Effekt dieses geschickt und erregend gestalteten Balletts wird allerdings beeinträchtigt durch den nicht gerade delikaten Vorwurf, der einen neuen Mohren von Venedig als recht weltlichen Sebastian einer beinahe rituellen Durchbohrung ausliefert. Die Musik Menottis ist wirkungsvoll — eklektisch natürlich, mit deutlich erkennbaren Vorbildern —, manchmal 60gar banal und an Kintopp gemahnend. Schöne solistische Leistungen blieben im Gedächtnis, mehr noch die großartige Dekoration Skalickis mit ihrer beängstigenden Vedute der Lagunenstadt. Am schwächsten war der Schluß: Rossini-Respighis „Zauberladen“, aufgezogen als hoffmannesker „Bai fantasque“, aber schwächlich und einfallsarm im Inszenierungskonzept.

In den Kammerspielen brachte Wolf-Ferrari den „Biberpelz“ in schön und breit ausgespielter Genrebildmanier mit Rosa Dybal-Kadle als gutmütigvitaler Mutter Wolffen. Zu Silvester gab es die Uraufführung eines kriminalistisch angehauchten, aber sonst recht bescheidenen Kammermusicals namens „Dreimal dürfen Sie raten“ von dem Berliner Wolfgang Schnitzler und dem Wiener Hans Pero — kein Grund zur Aufregung.

Haydns „Schöpfung“ bildete das Programm des letzten Musikvereinskonzertes, das Anton Lippe wieder auf der Höhe seiner Tätigkeit als Chorerzieher und -dirigent zeigte. Die Grazer erfreuten sich herzlich an den prominenten Solisten: Irmgard Seefrieds bezwingende Persönlichkeit, Anton Dermotas noble und kultivierte Stimme und das impulsive, temperamentvolle Anpacken der Rezitative durch Gottlob Fricks kernigen Baß hatten es ihnen angetan.

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