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Salut für Münchens Philharmonie

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Wenn ein einzelner Erdenbürger seinen 75. Geburtstag feiert, tut er das etwas resignierend angesichts seines bevorstehenden Lebensabends, begeht aber ein ganzes Orchester dieses Jubiläum, hat man in erster Linie Zukunft und Bestand vor Augen, und in der frohen Erwartung künftiger künstlerischer Höhepunkte blickt man stolz auf seine „gute Vergangenheit".

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Wenn ein einzelner Erdenbürger seinen 75. Geburtstag feiert, tut er das etwas resignierend angesichts seines bevorstehenden Lebensabends, begeht aber ein ganzes Orchester dieses Jubiläum, hat man in erster Linie Zukunft und Bestand vor Augen, und in der frohen Erwartung künftiger künstlerischer Höhepunkte blickt man stolz auf seine „gute Vergangenheit".

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Die Münchner Philharmonikei haben Grund genug zu diesem Stolz denn in den 75 Jahren seines Bestehens hat dieser Klangkörper Musikgeschichte gemacht. Von Hofra Dr. Franz Kaim im Jahre 1893 gegründet, wuchs dieses Orchestei unter den Dirigenten Hanis Winder- stein, Hermann Zumpe, Ferdinant Löwe und Felix von Weingartner zu einem so bedeutenden Format heran daß Gustav Mahler, Richard Strauss Felix Mottl und Wilhelm Furtwängler schon frühzeitig als Gastdirigenten gewonnen werden konnten. Zu den Uraufführungen von musikhistorischem Gewicht zählen u. a Mahlers 4. und 8. Symphonie sowie sein „Lied von der Erde“, H. W. S. v. Waltershausens „Apokalyptische Symphonie“, Bruckners 9. Symphonie (Originalfassung), Pfltzners Cis- moll-Symphonie, Höllers „Hymnen“, Wolf-Ferraris Violinkonzert oder Kaminskis „In Memoriam“ und zahlreiche Erstaufführungen bilden eine endlose Reihe von hervorragenden konzertanten Ereignissen.

Eine schwere Bedrohung der Existenz brachte der erste Weltkrieg, doch wurde die Krise überwunden, als 1919 Hans Pfitzner an die Spitze des Orchesters trat. Ein Jahr später wurde Siegmund von Hausegger der langjährige Leiter des Klangkörpers, der nun seit 1924 den Namen „Münchner Philharmoniker“ trug. Hausegger setzte die Bruckner- Tradition fort, die Ferdinand Löwe aufgebaut hatte (diese Tradition sollte 1937 in der Verleihung der Bruckner-Medaille durch die Internationale Bruckner-Gesellschaft Wien an die Müncher Philharmoniker ihren Höhepunkt finden. Seit dieser Auszeichnung ist die Vereinigung legitimiert, sich als „Bruckner- Orchester“ zu bezeichnen). 1938 gab v. Hausegger den Dirigentenstab an Oswald Kabasta weiter, eine Ära, die nach dem zweiten Weltkrieg ein jähes und tragisches Ende finden sollte, nachdem Kabasta in völliger

Verkennung der politischen Situation Selbstmord beging.

Hans Rosbaud war es, der das Orchester in relativ kurzer Zeit wieder zur alten Leistungsfähigkeit führte, seine Einführungsvorträge in der Aula der Universität, seine Instrumentationskunde, sein Beethoven-, Bruckner- und Mahler- Zyklus werden unvergessen bleiben. Ihm folgte Fritz Rieger und mit ihm, „aus Böhmens Hain und Flur“ stammend, eine Epoche hinreißend musi- kantischer Ereignisse. So konnten die Münchner Philharmoniker bereits 1952 wieder in Paris und London ganz außergewöhnliche Erfolge erringen. Seit der Konzertsaison 1967 68 steht nun Rudolf Kempe am Pult des Chefdirigenten und stellt seinen Weltruf in den Dienst dieser wahrhaft verpflichtenden Aufgabe. Die Philharmoniker bestreiten bekanntlich einen Großteil des Münchner Konzertlebens. Nicht nur die repräsentativen Philharmonischen Abonnementskonzerte sind dabei höchster Beachtung wert, sondern ebenso die Konzerte für die Theatergemeinde, die Volkssymphoniekonzerte, die Konzerte für die Jugend, die in- und ausländischen Konzertreisen, die mannigfachen Band- und Schallplattenaufnahmen, die Mitwirkung bei den alljährlichen Münchner Opernfestspielen, die Kammermusikmatineen im Schauspielhaus und die sommerlichen Festkonzerte sind eine Demonstration exemplarischer Einsatzfreudigkeit.

Zu den Festlichkeiten anläßlich des 75jährigen Bestehens haben sich berühmte Gäste angesagt. Am 29. September ist ein Festakt geplant, gefolgt von einem Festkonzert der in kollegialer Verbundenheit stehenden Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Karl Böhm und einem Festkonzert der Münchner Philharmoniker, das von Witold Rowicki geleitet werden soll.

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