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Zur Unterhaltung statt zum Unterhalt

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Ein Jubiläum der „Dilettantenkuitur“: Seit 90 Jahren besteht der Akademische Orchesterverein in Wien.

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Ein Jubiläum der „Dilettantenkuitur“: Seit 90 Jahren besteht der Akademische Orchesterverein in Wien.

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Vierzig Heller kostete die Mitgliedschaft, zehn Heller das Versäumen einer Probe. Dank väterlicher Beziehungen durfte der Student der Jurisprudenz Eugen Macher mit seinen Kommilitonen in den Räumen des Staatsbeamten-Ca- sino-Vereins proben. 1905 traten sie erstmals auf, am 11. Dezember 1904 gründete sich der Akademische Orchesterverein in einer Kanzlei der Universität Wien.

Heute müssen sich die 70 Mitglieder nicht mehr schriftlich für das Fernbleiben entschuldigen. Pensionisten, Studierende und alle, die sich das Ehrenamt leisten können, proben einmal die Woche im Wiener Konzerthaus. Ein elitärer Kreis, in dem sich Manager aus der Wirtschaft, Uni-Professoren, Wissenschaftler und Ärzte zusammenfinden.

Dilettanten, die sich im Sinne des Wortes an der Kunst unterhalten, sie aber nicht für ihren Unterhalt gebrauchen. Wiens Musikkultur, die großen Institutionen, wurden von ihresgleichen begründet. „Wenn ich einen Arzt brauche, gehe ich zu einem Orchestermitglied“ sagt die Cellistin Grete Wildhaber, die die Geschichte des Orchesters zum Thema einer Diplomarbeit macht.

Die Verbindung zur Universität ist mittlerweile abgerissen; die Promotionen begleitet jetzt die „Akademische Philharmonie“. Einst spielte der Akademische Orchesterverein bei der Inauguration Kardinal Innit- zers, unter Franz Schalk und Richard Strauß, Karl Böhm und Hans Swaro- vsky. Musikalische Kleinmeister wie Richard Maux und Wiener Philharmoniker waren Mitglieder, Willy Boskovsky und Sena Jurinac Solisten. Anton Wildgans verfaßte einen Prolog zur Bruckner-Feier 1924.

Das Orchester entdeckte Werke für Österreich wie die „Finlandia“ des Jean Sibelius, spielte Uraufführungen von Jenö Takacs. Seit 1905 tritt der Verein im Musikvereinssaal auf, bis 1989 192 mal. Manuskripte, Fragmente, Raritäten aus der Wiener Klassik und dem Biedermeier wurden zum Klingen gebracht. Zahlreiche ORF-Produktionen dokumentieren diese Liebe zum Unbeachteten.

Seit 1963 ist der Swarovsky- Schüler Wolfgang Gabriel Dirigent, Konzertmeister seit langem der achtzigjährige Hans Mühlbacher, der um die Konkurrenz mit den professionellen Ensembles weiß. „Wenn ein Holzknecht in einem Bergdorf schon Karajan hören kann, hat es ein Amateurorchester schwer.“

(Festkonzert am 8. Dezember, 19.30 Uhr, Großer Musikvereinssaal)

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