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Von Vivaldi bis Messiaen

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Das kammermusikalische Erlebnis der Berichtwoche: Die beiden Gastspielabende der „Virtuosi di Roma” im Mozarteum und in der Residenz. Ihre Stilprogramme (ein reiner Vivaldi-Abend und eine Serenade mit Werken der venezianischen und der neapolitanischen Schule) entfernten sich von der rein historisierenden Wiedergabe; die Professoren und. Konzertmeister unter der Führung ihres Maestros Renato Fasano haben bewiesen, daß zwischen Vergangenheit und Gegenwart die Bindung der Bildung allein nicht genügt; Temperament und lebensnahe Aussagekraft müssen zum Wissen treten, um die Anerkennung der Taten der alten Meister durch das Publikum von heute in Begeisterung für ihre Persönlichkeit zu verwandeln.

Der Pflege der Wiener Klassik, von Mozart auf Haydn erweitert, blieb die erste Matinee der Camerata academica unter Paumgartner vor- behalten, während sich Joseph Messner im Domkonzert ausschließlich Wolfgang Amadeus Mozart widmete. Beide Meister der Wiener Klassik standen wieder im Orchesterkonzert der französischen Gäste zur Debatte, das George Szell geistig überlegen geleitet hat und in dem es ein jubelndes Wiedersehen mit der Geigerin Erica Morini gab. Schließlich trug die Traditionsaufführung der c-moll-Mese zu Sankt Peter unter Ernst Hinzeinen (an Stelle des erkrankten B. Paumgartner) dazu bei, die .Bande des Lokalhistorismus mit der Salzburger Bevölkerung enger zu knüpfen.

Die Grundprinzipien, nach denen Herbert von Karajan, Oscar Fritz Schuh und Caspar Neher für die Inszenierung von Glucks „O rpheus und Eurydike” in der Felsenreitschule verfuhren, haben sich seit 1948 nicht verändert. Lediglich die Besetzung der drei Solopartien erfuhr Modulationen in südlicher Richtung. Julietta Simionato (eine Maria Eis von heute auf der internationalen Opernbühne) war denkbar bestgeeignete Singschauspielerin für den Orpheus in der italienischen Fassung. Sena Jurinac trat uns als schöne und schön singende Eurydike gegenüber (vor elf Jahren sang sie Maria Cebotari, während sich Frau Jurinac als Eros präsentiert hat), und der Liebesgott 1959 war Graziella Sciutti, geschmackvoll und könnerisch. Neu war auch die einfallsreiche Choreographie Yvonne Georgis. Schuh belebte nicht nur die Bühne, sondern auch die Arkaden der Felsenreitschule, Karajan hielt sich mit den Philharmonikern und dem Staatsopernchor an die „unendliche Melodie” Glucks und machte die Realisierung der Partitur zu einem ästhetischen Genuß.

Einetiiivi schichtigen jBhhBök in das. Musik, gab dem enthusiasmierten Publikum das vierte Orchesterkonzert im Mozarteum (dessen Großer Saal sich für die entfesselten Klangwogen als zu klein erwies!). Manuel Rosenthal und das „Orchestre National de la Radiodiffusion-Television Franęaise” waren ein Herz und eine Seele. Sie begannen mit Albert Roussels nach dem verlorenen Paradies der Klassik sehnsüchtig zurückblickender Ballettsuite „Bacchus et Ariadne” und schlossen den Abend mit einer grandiosen Aufführung der „Rhapsodie Espagnole” von Ravel. Dazwischen zwei Novitäten: des heute 43jährigen Henri Dutilleux’ vor elf Jahren entstandene „Symphonie”, eine Komposition, deren Inhalt die starke Persönlichkeit ihres Schöpfers widerspiegelt, ohne stilistisch besonders aufzufallen; und Olivier Messiaens „A s c e n s i o n”, ein kontemplatives Werk über die Himmelfahrt in Form von vier „religiösen Bildern”: die „Glorifikation” — „Vater, die Stunde ist gekommen, verherrliche Deinen Sohn, damit Dein Sohn Dich verherrliche;” — die „heiteren Allelujagesänge einer Seele, die sich den Himmel wünscht” — „Wir flehen Dich an, Gott, mache, daß unser Geist im Himmel wohne” — „Alleluja über Trompete und Cymbal” — „Der Herr ist zum Klang der Trompete aufgestiegen” und schließlich „Gebet Christi” — „Vater, Ich habe verkündet Deinen Namen unter den Menschen … Siehe, Ich bin nicht mehr in der Welt, aber sie sind in der Weit, Und .Ich gehe zuDin!” Diese Medi- tationen führen in eine eigenartige Klangwelt, für deren Formung sich der Komponist eigene „nicht umkehrbare Rhythmen und Modi mit beschränkter Transposition” geschaffen hat. Wie dem und der Naturphilosophie, aus der Messiaen seine schöpferischen Arbeiten nährt, auch sei: das Werk hinterließ tiefen Eindruck. Der heute 51jährige scheint auf musikalisch-schöpferischem Gebiet die Vereinigung der Persönlichkeiten eines Paul Claudel und eines Andrė Gide zu erstreben.

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