6770324-1968_50_14.jpg
Digital In Arbeit

Szell, Märzendorfer, Swarowsky

Werbung
Werbung
Werbung

Zum zweitenmal in dieser Saison leitete George Szell ein Konzert der Wiener Philharmoniker: diesmal Bruckners „Achte” (c-Moll), deren Wiedergabe er mit Elastizität, Spannkraft und optimaler Klangschönheit ausstattete. Nirgends störte da falsches, auftrumpfendes Pathos, barocke Theatralik, Forciertes. Klare Linienführungen, perfektes Ebenmaß der Formen und Proportionen bestachen. In Agogik und Dynamik feilte Szell jede Einzelheit aus, fügte Teil um Teil zu einem organischen Ganzen von höchster Präzision zusammen. Steigerungen wurden logisch entwickelt, mit harten Konturen band er die Riesensätze. Erneut bewiesen die Philharmoniker, daß sie Bruckners Symphonien wie nur wenige Orchester realisieren können und sich seines CEuvres besonders intensiv annehmen sollten. — Die weise Beschränkung auf eine Bruckner-Symphonie ohne andere Programmzutaten macht hoffentlich in Wien endgültig Schule.

Das 4. Symphonikerkonzert im Sendesaal von Radio Wien präsentierte französiche Musik, die in Wien sonst kaum zum Zug kommt, und zwar unter Leitung von Ernst Mär- zendorfer, der zu diesen Stücken erstaunlich viele, ja geradezu intime Beziehungen hat. Sie kamen besonders Hector Berlioz’ „Grande Symphonie funėbre et triomphale” zugute, einem monumentalen Edel- reißer, der 1840 anläßlich der Ge- denk£tori der Julirevolution als Auftragswerk entstand. Beachtlich ist vor allem die Art, wie Berlioz hier ausschließlich mit massivem Blech und Holzbläsern auskommt und nur in der Schlußapotheose noch eine weitere Steigerung durch einen Choreinsatz erzielt. Märzendorfer gestaltete das stellenweise etwas banale, aufwendige Stück impetuosį ließ keinen Moment Langeweile aufkommen, sorgte für pompöse Blechtrümpfe. — Ricardo Odnoposoff geigte vor der Pause Henri Vieuxtemps’ 5. Violinkonzert, dessen reizvollen Kantilenen und glitzernden Passagen er zusätzlich Glanzlichter aufsetzte. Die Symphoniker zeigten sich großartig in Ferm. Der Rundfunk verdient für dieses ungewöhnliche Programm Sonderlob.

Symphoniker und Singakademie musizierten unter Leitung von Hans Swarowsky drei selten gehörte Chorwerke von Johannes Brahms: Gesang der Parzen, Nänie und Schicksalslied. Sosehr zu Unrecht diese Gesänge auf ein stiefmütterliches Konto der Konzertprogramme gesetzt sind, vermögen sie doch, hintereinander musiziert, mit Ausnahme des letzteren einen gewissen Akademismus nicht zu verleugnen. Die prächtige Satzkunst in hohen Ehren, ebenso das hohe Ethos der Musik; die Frische des Eindrucks und die lebendige Wirkung von Gegensätzen ist nur in op. 54, dem jüngsten der drei, vorhanden. Was nicht hindert, daß sie, jedes für sich, in gemischten Programmen von großer Wirkung wären. Die nach der Pause folgende, groß und exakt interpretierte V. Symphonie von Beethoven bestätigte den oben ausgeführten Eindruck in überzeugender Weise.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung