„Nebenan“: Harmlos und vorhersehbar
Hausherr Martin Kušej bringt Daniel Kehlmanns Kammerspiel „Nebenan“ auf die Bühne des Burgtheaters – als solides Gebrauchsstück mit wenig Biss.
Hausherr Martin Kušej bringt Daniel Kehlmanns Kammerspiel „Nebenan“ auf die Bühne des Burgtheaters – als solides Gebrauchsstück mit wenig Biss.
S chummrige Spelunken sind heutzutage fast schon so etwas wie Sehnsuchtsorte, an die zu gelangen in den letzten zweieinhalb Jahren nur eingeschränkt möglich war. Für die beschauliche Premiere von „Nebenan“ schmückt ein solches gastronomisches Beisl-Juwel mit dem klingenden Namen „Zur Brust“ die Bühne des Burgtheaters, authentisch ausgestattet bis ins kleinste Detail: Schlagermusik plärrt aus dem Radio, eine tickende Uhr zeigt die falsche Zeit an, ein kauziger Stammgast sitzt an der Bar und sogar die schmutzig vergilbte Tapete ist vorhanden.
Hausherr Martin Kušej hat bei der Ausgestaltung dieses Kammerspiels über die sozialen Verwerfungen einer urbanen Gesellschaft, gemeinsam mit der Bühnenbildnerin Jessica Rockstroh auf nichts vergessen. Nur dass das Beisl eine Kneipe mitten in Berlin darstellen soll, irritiert zu Beginn. Hier treffen zwei Nachbarn aufeinander, die nicht viel gemeinsam haben. Während der „Ösi“ Florian (FloTheaterstück aus seiner frühen Schaffenszeit. Außerdem in die Aufführung miteingeflochten: einige satirisch-verspielte Fluxus-Projekte Yoko Onos sowie Ausschnitte aus ihrem grandiosen Kurzfilm „No. 4 – Bottoms“, der lediglich aus der Aufnahme eines wohlgeformten Hinterteils besteht. Eine Uraufführung, die sich also ganz den Avantgarde-Bewegungen des 20. Jahrhunderts verschrieben hat und sie zur comicstriphaften Groteske collagiert. Das zehnköpfige Ensemble (darunter Andreas Beck, Claudio Gatzke, Evi Kehrstephan und Lavinia Nowak) hat bei dieser Aufführung mehr als genug zu tun.
Zwischen den Episoden aus Buñuels burleskem „Hamlet“-Liebesdrama, das mit Verve und gezogenem Degen vorm Theatervorhang gespielt wird, sind die wesentlichen Erzählstränge und wortgerian Teichtmeister) ein umjubelter Filmstar ist, der sogar internationale Erfolge feiert und auf die nächste große Rolle hofft, führt der einst von der Stasi verfolgte „Ossi“ Bruno (Norman Hacker) ein trostloses Dasein als Servicemitarbeiter eines Kreditkartenunternehmens. Im Zusammentreffen dieser beiden unterschiedlichen Charaktere entspinnt sich eine Culture-Clash-Tragikomödie, die sich immer mehr zum unbarmherzigen Rachefeldzug entwickelt.
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