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Praterballade

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Das V o 1 k s t h e a t e r hat als zweite Premiere der neuen Saison, nach dem „König Lear“, „LiHorn“ von Franz Molnär gewählt. Der Kontrast konnte kaum schärfer betont werden: Nach dem hohen Mut und Hochmut, nach der Ueberhebung des Königs sieht nun der Jammer eines „Hutschenschleuderers“, eines Praterbuden-ausrufers, uns allen ins Angesicht. Es geht eine seltsame Faszination aus von diesem von Alfred Polgar ins Wienerische übertragenen Stück, das ganz meisterlich hier im Volkstheater gespielt wird, durchaus ebenbürtig der glanzvollen Premiere des Vorjahres, dem „Vierten Gebot“ Anzen-grubers. Paula Pfluger und Hans Putz, Martha Wallner, Hilde Sochor, Hugo Gottschlich, Otto Schenk und Dorothea Neff gelingt es, in diesen Schicksalen kleiner Leute, von Dienstboten, Dienstmännern und Tagedieben eine ganze Dimension sichtbar zu machen: eine Wiener Humanität, wie sie zwischen Grillparzers „Armem Spielmann“ und Felix Brauns Betrachtungen über die Idee der Liebe in Oesterreichs Dichtung zwar bereits „Literatur“ geworden ist, dennoch von Theatermännern, Denkern und Dichtern wenig gewürdigt wird. Molnärs Geschichte vom Leben und Sterben des kleinen Mannes ist an sich nicht frei von Kitsch und Sentimentalität, von listiger Berechnung auf das „Gemüt“, sie wird aber hier ohne Arglist interpretiert als eine Ballade, wirklich im Volkston: man könnte sich sehr gut vorstellen, daß die Photographin (Dorothea Neff) zu Nutz

und Erbauung die Geschichte vom Liliom, dem Dienstmädchenfreund, von seinem vielen Lieben und frühen Sterben (das Messer mitten in der Brust) erzählt und in Schaubildern zeigt, als eine Wiener Moritat Eine Brechtsche Versuchung! Sie muß der ausgezeichnete Regisseur Günther Haenel verspürt haben, denn der „Himmel“, den er in der so wichtigen Schlußszenerie zeigt, ist eine Persiflage auf das alte k. u. k. Oesterreich und auf einiges andere, die hier in diesem Stück ganz unangebracht ist, ja die das Gesamtwerk in ein unechtes Licht taucht. Wäre nicht das lebensnahe Spiel der Schauspieler, dann würde sich von diesem falschen Schlußlicht her das Ganze in eine Witzelei und Mache verfärben. Das Bühnenbild Gustav Mankers ist diskret, passend.

In den Kammerspielen feiert Vilma Degischer Triumphe in einer Komödie von Jacques Deval, „Geliebter Schatten“, die Friedrich Schreyvogl übersetzt und adaptiert hat. Frau Degischer bildet mit Elfe Gerhart und Leopold Rudolf ein Dreieck, das zwischen Traum, Begierde, Laune, Unterbewußtsein und Bühnenwirklichkeit rotiert. Der Kampf um den Mann zwischen zwei so verschiedenartigen Wesen genügt allein, um das Publikum der Rotenturmstraße bis zum letzten Atemzug in Spannung zu halten. Ganz auf die Schauspieler, und wohl auch auf die Regie (Pfaudier), gestellt, erringt dieses flimmernde Etwas seinen Erfolg.

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