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Saisonbeginn in Klagenfurt

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Intendant Herbert Wochtnz ist Mozart treu gebheben; nach dem „Figaro“ des ersten Jahres und der „Entführung“ des folgenden, hat er mit „Don Giovanni“ die Spielzeit eröffnet.

Man hatte sich einiges erwartet, sah sich aber etwas enttäuscht, well Wochinz' Regie kaum neue Akzente setzte, es sei denn, man werte den Tod des Komturs bei Tagesbeleuchtung oder das „sit down“ Zerline-Masetto im Hofe als besonderen Einfall. So fand sich die mehr als drei-einhalbstündige Aufführung, die Robert Filzu>ieser solid und etwas verhalten leitete, kaum wesentlich belebt, wozu noch kam, daß die eingesetzten Kräfte darstellerisch zu unterschiedlich waren. Nur Herbert Lackner wurde der Rolle des Lepo-rello in Vortrag und Spiel gerecht. Dem jungen Erfand Hagegäard fehlte es nicht an stimmlichem Volumen; Schloßeinladung und Ständchen gerieten gut, den Titelhelden, der in der Maske eher einem preußischen Rittmeister glich, konnte man ihm nicht abnehmen — ein Giovanni, aber kein verführerischer Don. Liebenswert das Paar Masetto-Zerllne —» Robert Termine-Hildegard Heichele), Ausdrucksstark Mirjana Irosch als Donna Elvira, des Dankes wert Maria van Dongen, lyrischem Singen hingegeben Antonia Constantino als Don Ottavio, — alle drei aber steif in Gang und Gebärde. Hinter einer lächerlichen Komturerscheinung hervor mußte der treffliche Helmut Ber-ger seine vergeblichen letzten Ermahnungen singen. Matthias Kral} hatte sein weiß-braunes Bühnenbild szenischen Anforderungen unterworfen und sich dafür mit der Schönheit der Kostüme entschädigt.

Hatte das Publikum dieser Premiere angebrachten Beifall gezollt, konnte es bei der Aufführung von Franz Kafkas „Der Prozeß“ in der Dramatisierung durch Gide und Barrault ganz aus sich herausgehen und für einen Abend danken, der restlos befriedigte. Hans Gaugier a. G. hatte der Welt aus Angst und Verhängnis unheimliche Wirklichkeit gegeben, wobei ihn das nach Entwürfen von Tilo Hofer von Matthias Kralj für die Drehbühne gebaute Bild wirksamst unterstützte. Transparente Wände in Dunkel und Licht schaffen die Stimmung des Unwirklichen. Souverän führt Gaugier sein Ensemble durch die Alptraumsphäre. Elektronische Musik unterstreicht die Fragwürdigkeit der Existenz, mit der sich Kafkas Gestalten abzufinden haben.

Als Josef K. hatte er Peter Schweiger zur Verfügung, der von der Ahnungslosigkeit in die Ausweglosigkeit wuchs, sich keiner Sünde bewußt und doch in seinen beginnenden Zweifeln dunkel empfindend, daß es zwischen Ungeduld und Gleichgültigkeit Möglichkeiten gibt, zu straucheln und zu fallen. Aus der Reihe der Mitwirkenden, die ausnahmslos Bestes gaben, seien Grete Bittner (Fr. Grubach) und Miriam Dreifuss (Frl.' Bürkner) sowie die Herren Georg Trenkwitz — dieser dreifach beschäftigt —, Ernst Soelden (Onkel), Peter Branoff, der obwohl Opernsänger für einen erkrankten Kollegen eingesprungen war, und Peter Lodynski, als Maler Titorelli von unheimlich-gemütlichem Wesen, hervorgehoben. In den Soffitten schwebend sprach Horst Eder das Urteil, den „Prozeß“ aber gewann mit diesem Abend das Stadttheater.

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