6816655-1973_13_04.jpg
Digital In Arbeit

Ärzte und Schwestern — zusammen

19451960198020002020

In Osterreich stehen ganze Spitalstrakte leer, weil die Pflege nicht gewährleistet werden kann; im Nationalrat wurde nun ein Gesetz über die Regelung des Krankenpflegefachdienstes beschlossen. Aber über die Zweckmäßigkeit dieses Gesetzes gehen die Meinungen nach wie vor sehr stark auseinander.

19451960198020002020

In Osterreich stehen ganze Spitalstrakte leer, weil die Pflege nicht gewährleistet werden kann; im Nationalrat wurde nun ein Gesetz über die Regelung des Krankenpflegefachdienstes beschlossen. Aber über die Zweckmäßigkeit dieses Gesetzes gehen die Meinungen nach wie vor sehr stark auseinander.

Werbung
Werbung
Werbung

In Österreich gibt es zu viele Bewerberinnen für die Krankenpflegeschulen. Vielfach müssen Bewerberinnen aus Platzmangel abgewiesen werden. Die Abwanderung der ausgebildeten Schwestern ist aber so groß, daß die Zahl der berufstätigen Diplomschwestern nicht ausreicht, um die Pflege in den österreichischen Krankenanstalten sicherzustellen, i

Wenngleich diese Problematik nicht allein durch eine Neuordnung der Ausbildung gelöst werden kann, wäre eine sinnvolle Gestaltung der Ausbildung sicherlich geeignet, in Hinkunft den Mangel an berufstätigen Krankenpflegepersonal zu verringern.

• Die Ausbildung soll unmittelbar nach dem Polytechnikum beginnen.

• Die Ausbildung soll durch Einschaltung eines allgemeinbildenden Jahres von drei auf vier Jahre verlängert werden.

• Die Tätigkeit am Krankenbett soll ab dem 17. Lebensjahr möglich sein.

• Die Ausbildung soll in Hinkunft mit 19 Jahren (bisher 20 Jahren) beendet werden.

Sicherlich ist es kein Vorteil, daß die Berufswahl bereits mit 15 Jahren getroffen werden muß. Es ist eine international bekannte Tatsache, daß die Abwanderungsquote aus dem Krankenpflegedienst um so höher ist, je früher die Betroffenen ihre Entscheidung treffen müssen; junge Menschen, die mit 15 Jahren den Entschluß gefaßt haben, sich für den Krankenpflegedienst ausbilden zu lassen, und die nach ein oder zwei Jahren erkennen, daß dieser Beruf doch nicht ihr Ziel ist, haben diese Jahre vergeudet und können mit der zwischenzeitlich erhaltenen Ausbildung nichts anfangen.

Das vorgeschaltete allgemeinbildende Jahr ist eine typische Notlösung mit allen nachteiligen Auswirkungen. Es wird kaum möglich sein, an den österreichischen Krankenanstalten eine derartige allgemeinbildende Ausbildung sicherzustellen, fehlen doch zumindest die pädagogisch geschulten Lehrpersonen.

Man fragt sich, warum die Regierungspartei auf so unzureichenden, höchstwahrscheinlich den Schwesternmangel erhöhenden Maßnahmen besteht. Die unmittelbar Betroffenen sprachen sich vielfach gegen diese Änderung aus.

Die ÖVP hat eine Reihe von Vorschlägen zur Neuregelung der Ausbildung für die Krankenpflege vorgelegt. Diese Vorschläge gehen weit über den Krankenpflegedienst hinaus; im gegenwärtigen Stadium ist aber nur ein Vergleich der verschiedenen Vorschläge für den Krankenpflegedienst von Interesse.

Angesichts der Tatsache, daß die zu frühe Berufswahl im engsten Zusammenhang mit der hohen Abwanderungsquote steht, wurde versucht, die Berufsentscheidung hinauszuschieben, ohne daß dadurch für die Betroffenen eine Lücke entsteht Nach den Vorschlägen der ÖVP sollten dreijährige Fachschulen für Sozialberufe eingerichtet werden, in die Interessenten unmittelbar nach Beendigung der 8. Schulstufe eintreten könnten. Im 3. Jahrgang sollte bereits eine Auffächerung nach den einzelnen Fachrichtungen, wie beispielsweise Krankenpflege, Familienberatung und Hauspflege vorgenommen werden. An diese dreijährige Fachschule für Sozialberufe sollte dann die zweijährige Krankenpflegeschule anschließen. Die Schulen sollten dem Unterrichtsministerium zugeordnet werden. Auch nach diesen Vorschlägen könnte die Ausbildung für den Krankenpflegedienst mit 19 Jahren beendet werden.

Das Gesundheitsministerium hat auch ein Symposium über den Krankenpflegedienst abgehalten. Es ist bezeichnend, daß die zahlreichen Einwände gegen das Gesetz, die von den Betroffenen in der Diskussion erhoben wurden, zu keiner Änderung der Haltung des Ministeriums geführt haben. Uberhaupt keine Vorkehrungen wurden getroffen, um den Beruf als solchen attraktiver zu gestalten. Hiezu wäre ein ganzes Maßnahmenbündel erforderlich:

• Es müßte Vorsorge getroffen werden, daß bei jedem Krankenhaus ein Kindergarten eingerichtet wird, der in seiner Öffnungszeit auf die Dienstzeit der Schwestern Rücksicht nimmt.

• Es müßten dem Krankenpflegefachdienst Aufstiegschancen ermöglicht werden.

• Eine vordringliche Aufgabe wäre eine Vermehrung des Hilfspersonals, um den Krankenpflegefachdienst von allen Tätigkeiten zu entlasten, die ein solches Hilfspersonal durchführen könnte.

• Teilzeitbeschäftigung müßte forciert werden. Dies könnte viel zur Reaktivierung heute nicht berufstätiger oder in fremden Berufen tätiger ausgebildeter Schwestern führen. Bei einer Teilzeitbeschäftigung sollte man aber nicht an eine bloße Halbtagsbeschäftigung denken, man sollte sich vielmehr an den Teildiensten, wie sie in Apotheken üblich sind, orientieren.

• Wichtig wäre es, neben der Errichtung von Schwesternwohnhäusern dafür Sorge zu tragen, daß Schwestern, die nicht im Verband des Krankenhauses leben wollen, in Spitalsnähe Wohnungen zur Verfügung gestellt werden.

• Durch innerbetriebliche Vorkehrungen in den Krankenanstalten müßte die Arbeitszeit des Krankenpflegepersonals an die Arbeitszeit in anderen Berufen herangeführt werden.

Wäre in einer solchen Situation, nicht eine gemeinsame Aktion der Ärzte und Schwestern geboten? Sollten nicht alle Ärzte und Schwestern befragt werden, was sie von der geplanten Regelung halten? Wo bleiben hier die Interessenvertretungen? Oder billigen sie die geplante Neuregelung? Dann sollten sie sich dazu auch bekennen. Ansonsten müßten sie dagegen kämpfen. Verschweigen führt zu nichts!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung