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Angst vor dem Parteiolymp

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Seit langem scheinen es Wiens Stadtplaner und Architekten verlernt zu haben, Plätze mit Denkmälern zu gestalten und Monumente aufzustellen. Die peinlichen Versuche, die Ringstraße entlang neue Monumentakzente zu setzen, endeten im Debakel: Beim Burgtheater Körner und Seitz, in Bronze, mit niedlichen Heurigenbankerln zu beiden Seiten und ein wenig garniert in Grünnischen abgeschoben, sind Ausgeburten provinzialisierten Geschmacks, Paradebeispiele eines verlorengegangenen Stilgefühls. Kanzler Raab, in Medaillonform auf einer Emmentalerplatte gar ins Volksgartengitter hineingezwängt, so daß Kinder immer wieder fragen, warum das komische Gartentürl nicht aufgeht, zerstört just gegenüber Kundmanns Pallas Athene die reizvolle Gitterzone...

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Seit langem scheinen es Wiens Stadtplaner und Architekten verlernt zu haben, Plätze mit Denkmälern zu gestalten und Monumente aufzustellen. Die peinlichen Versuche, die Ringstraße entlang neue Monumentakzente zu setzen, endeten im Debakel: Beim Burgtheater Körner und Seitz, in Bronze, mit niedlichen Heurigenbankerln zu beiden Seiten und ein wenig garniert in Grünnischen abgeschoben, sind Ausgeburten provinzialisierten Geschmacks, Paradebeispiele eines verlorengegangenen Stilgefühls. Kanzler Raab, in Medaillonform auf einer Emmentalerplatte gar ins Volksgartengitter hineingezwängt, so daß Kinder immer wieder fragen, warum das komische Gartentürl nicht aufgeht, zerstört just gegenüber Kundmanns Pallas Athene die reizvolle Gitterzone...

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Und selbst ein Meisterstück wie Wotrubas „Schreitende“ wurde mit viel Geschick so aufgestellt, daß sie wohlbehütet und kaum gesehen abseits im Grün des Schmidt-Platzes versteckt bleibt... Und man könnte diese Liste ähnlicher Produkte natürlich beliebig verlängern: Von Leopold Figl am Minoritenplatz bis zu Tanzbären und schäbigen Brünn-lein zwischen Gemeinde-, Genossenschafts- und Eigentumsbauten. Insgesamt eine Serie peinlicher Lösungen, die manchmal nicht einmal durch Bildhauerprominenz und die Qualität der Ausführung in ihrer Wirkung gemildert wird.

Denn wo immer man heute Denkmäler aufstellt, vor allem „politische“, schaut man ja kaum auf die Umgebung, ihre städtebauliche Konzeption, auf das „Fluidum“. Noch einmal zurück zum Beispiel Körner und Seitz: Gemessen an den Prunkfassaden von „Burg“ und Rathaus wirken sie wie häßliche Taschenformatausgaben, müssen schon wegen der Aufstellung zur Lächerlichkeit verdammt bleiben, weil dort, wo sie heute in einer toten Zone stehen, früher kein Mensch ein Denkmal errichtet hätte. Das 19. Jahrhundert hat da mit wesentlich mehr Gespür für bauliche Effekte gearbeitet: Die Statuen der abgebrochenen Elisabethbrücke etwa zwischen Rathaus und „Burg“ fungieren als Vermittler zwischen den Bauten, die beiden neuen Figuren hingegen bleiben sinnlose Außenseiter, die man überdies noch durch eine „Sozialverpackung“ verniedlicht hat.

Doch das ist nur ein Problem. Es wird zuerst augenfällig. Kernfrage ist hingegen die Aktualität solcher Denkmäler. Bedürfen wir heute, in einem Staat, in dem so intensiv die Demokratisierung zur Diskussion steht, überhaupt noch unserer Staatsmänner in Bronze und Stein? Hat es einen Sinn, heute historische Straßenzüge entlang eine Art Walhalla des 20. Jahrhunderts, einen Parteiolymp nach Proporzgesetzen aufzubauen?

Jeder Versuch dieser kleinkarierten Art muß geistig im 19. Jahrhundert steckenbleiben, wie die römischen Heldenalleen des Gianiculo mit ihren Politiker- und Heerführerbüsten rund um Garibaldi! Und treffen wir mit solchen Monumenten überhaupt den Sinn des „Denkmals“, wenn wir die Politiker-, Denker- oder Künstlerfigur zum Kleinformat verdammen und obendrein verstecken, weil wir längst keinen Mut zum Denkmal und schon gar nicht zum einzig wahren, dem Monumentaldenkmal, haben? Denn allein der Monsteraufwand scheint uns ja schon so unrepublikanisch, so undemokratisch.

Keine Frage, das künstlerisch hochwertige Monumentaldenkmal, für einen bestimmten Ort mit aller Konsequenz des Materials, der Größe, des Formenrhythmus gestaltet, wird nie seine Berechtigung verlieren. In New York findet man diese Riesenmonumente immer wieder. Mit Mut zur Größe und zur gewagten Form haben dort Künstler, wie Picasso, Jean Dubuffet, Robert Cook, Isamu Noguchi, Louise Nevel-son, William Curvellos, ihre Schöpfungen für ganz bestimmte Plätze und für die Kulissen ganz bestlmmter Bank-, Versicherungs- und Industriepalastfassaden geschaffen.

Der Spaziergang durch Manhattans steinerne Schluchten mit den Stahlglastürmen wird heute immer mehr zum Gang durch ein aufregendes Freilichtmuseum. Doch was dort auf- und ausgestellt wird, ist freilich Sache privater Mäzene, die gottlob vom österreichischen Gießkannenprinzip der Auftragsvergabe noch nie etwas gehört haben und nur auf eines Wert legen, in einem Punkt wetteifern: daß diese Kunstwerke selbst nach internationalen Maßstäben Spitzenwerke und „ihr Geld wert“ sind.

Immerhin gibt es aber jetzt auch für Wien einen Hoffnungsschimmer, doch noch ein Monument des 20. Jahrhunderts: zu erhalten, das den großartigen Denkmalkonzeptionen der Ringstraßenära gleichwertig ist: Henry Moores „Liegende“. Das skandinavische Siegerteam im Wettbewerb um die Neugestaltung des Karlsplatzes wird diese Bronzefigur inmitten eines neugeplanten Teiches aufstellen, der die Ovalform der Kirchenkuppel wiederholt. Moore plant eine im Sonnenlicht schimmernde, im Teich sich spiegelnde Bronze, die die verlorengegangene barocke Atmosphäre des Platzes wieder einfängt und selbst in der Monumentalkonzeption aus Kirche, historischer Baulinie von Musikverein, Künstlerhaus und Akademie und der Technischen Hochschule zentral dominiert. Über das Museum am Karlsplatz und den eben erst daneben entstandenen architektonischen Schandfleck hat Moore allerdings geschwiegen. Und da werden wohl hohe Bäume dekorative Kulisse spielen. müssen, um die barocke Atmosphäre doch noch zu retten.

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