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UBER DIE LÄRMBEKÄMPFUNG

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Die Lärmbekämpfung nimmt in unserem Lande einen energischen Fortgang. Vor allem in Sachen Straßenlärm werden Vorschriften erlassen. Aber Ruhestörer Nummer eins ist das Radio. Was die Kraft der Töne betrifft, steht es an erster Stelle. Nur etwa von einer Kanone kann es übertroffen werden. Ärgerlich, daß die Bekämpfung nicht von Anfang an dieser Erfindung gegolten hat, der wissenschaftliche Gedanke ging unbegreiflicherweise den Tramschienen nach. Daher wäre eine lautlose Tram das höchste in den Erfindungen der Technik. Könnte man sie etwa durch Gummiräder erreichen? Doch was kann Gummi dem Radio nützen?

Ich befinde mich, was Radio betrifft, noch in verhältnismäßig günstiger Lage. Ein Bekannter von mir sagt, er höre 16 verschiedene Radios aus den ihn umgebenden Wohnungen. Mich belästigen nur zwei. Was den einen Nachbarn betrifft, so ist er ein lieber, humaner Mensch und trinkt gern einen über den Durst. In diesem Zustand dreht er am Radio.

Nur mein zweiter Nachbar ist etwas Besonderes; wenn er in die Badestube weggeht, stellt er seinen Apparat nicht ab. sondern läßt ihn weiter brüllen. Doch wie groß war meine Empörung, als er in die Ferien reiste und das Radio auf höchster Stärke laufen ließ. An seiner Zimmertür hatte er noch ein Hängeschloß angebracht. Da lag er nun in der Krim in der Sonne, um sich von ihr bräunen zu lassen. Die ersten zwei Tage begriff ich seine Vergeßlichkeit nicht, dann erst fiel mir ein: es ist ja das Radio, das 24 Stunden durch unaufhörlich brüllt. Ich laufe zum Hausverwalter, er sagt: „Ich bestreite es nicht, die Lärmbekämpfung ist in vollem Gange, und von dem Fortgereisten ist es unzulässig, solchen Lärm zu verursachen, doch bin ich nicht bevollmächtigt, Schlösser aufzubrechen. Senden wir auf gemeinsame Kosten eine Depesche an ihn nach der Krim: .Drahte Einverständnis, Tür aufzubrechen'.“ Wir taten es — eine Antwort erfolgte nicht.

Ich versuchte, mich an das ständige Radiodröhnen zu gewöhnen; während der Musik ging es einigermaßen, doch wenn eine Maid mit durchdringender Stimme das Wetter sämtlicher Weltländer zu verkünden begann, war es mit meiner Geduld zu Ende. Man riet mir: „Steig auf's Dach und schneid' die Drähte der Antenne durch!“

Unter Lebensgefahr kroch ich aufs Dach, riß etwas entzwei, doch das Radio brüllte weiter, dann schnitt ich die Zufuhrdrähte im Gang durch, die Musik fand ihr Ende, und ich genoß die Ruhe mit größtem Behagen. Tags darauf brachte ein neu zuziehender Mieter ein Radio, und das Teufelsgeheul begann von neuem. Auch kam einer der Nachbarn zu mir, von wegen den durchgeschnittenen Drähten — es waren die zu seinem Radio gewesen. Das alles setzte meiner Seele zu und ließ mein Blut erschlaffen.

Es muß etwas gegen das Radio erfunden werden, dann erst dürfte man sich der Tram zuwenden, besonders da es sich herausgestellt hat, daß die erfundenen lärmlosen Tramwagen gehörig poltern, trotz ihrem garantiert leisen Gang. Ich will nichts dagegen behaupten, das Radio ist eine große Erfindung, doch wirkt sie — wie soll ich sagen — einem zu sehr auf die Leber!

Aus dem Russischen von O. Sache***

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