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Digital In Arbeit

Aphorismerln

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Unlängst, in einer sogenannten Unterhaltungssendung, hörte ich die Sprecherin sagen: „Männer sind wie Petroleumlampen. Wenn man ihnen nicht ständig nachgießt, gehen sie aus.“

Nun erhob sich mir zwar einerseits die Frage nach den Qualitäten dieser Dame, die ihr Heil beim anderen Geschlecht offensichtlich im Nachgießen sucht, andrerseits erkannte ich schlagartig den Mechanismus jener Aphorismen, ihre Apercus und deren leicht durchschaubare Genesis.

Hier und jetzt und unentgeltlich stelle ich sie den werten Lesern zur Verfügung, vorbehaltlich einer Wirkungsweise, deren Hundertprozentigkeit von der jeweiligen Verfassung des Publikums (oder von der Verfassung des jeweiligen Publikums) abhängt.

Man nehme als Ausgangsbasis einerseits eine allgemein bekannte Gruppe von Menschen. Vorzüglich und primär also Männer und Frauen, dann, spezifizierender und um schon im Ansatz dem Jux zum Durchbruch zu verhelfen, altersmäßige Unterscheidungen, also etwa junge Frauen und ältere (Vorsicht! nicht alte) Männer, sodann Berufsgruppen der gängigen Art, beispielsweise Kellner, Politiker, Beamte, Polizisten, Liebhaber(innen), Apotheker. (Achtung! Es gibt empfindliche Berufsgruppen mit starken Standesvertretungen oder humorlosen Gewerkschaften. Diese auszunehmen empfiehlt allein schon der Selbsterhaltungstrieb.)

Auf die andere Seite, denn der Witz läuft ja auf einen Vergleich hinaus, stelle man allseits verwendete Elemente und Gegenstände des Alltags: Feuer, Luft, Wasser, Sand, aber damit auch hier der Spaß vorprogrammiert ist, Hosenträger, Badeseifen, Fensterglas, Klaviere, Telefone, Teppiche, Sauerkraut und dergleichen. Man kann nun den dritten Teil, den Kern des Pudels also, auch Gag genannt, ebenfalls schon vorformulieren, also der Frage nachgehen, was etwa das Vergleichswort Feuer alles tun kann: lodern, flackern, rauchen, züngeln, lecken, leuchten, verzehren, heiß machen, verlöschen,ausgehen und so weiter. Doch erschwert ein solches Vorarbeiten die leichte Machbarkeit des Witzes sehr, da in diesem Fall die Suche nach der Quintessenz mühsam wird.

Jetzt gehe man also an die Arbeit und mische Zutat eins = Menschengattung mit Zutat zwei = Ding, der Zufall schlägt zu, setzt uns vor eine beliebige Gegenüberstellung und ist uns hold: er beschert uns den Kellner hier und die Badeseife dort. Was,brauchen wir uns nur noch zu fragen, macht die Badeseife? Sie reinigt, das paßt aber nicht. Sie wird immer kleiner, auch hier zündet's nicht. Aber jetzt. Der Ausspruch ist geboren: Kellner sind wie Badeseifen. Kaum glaubt man ihrer habhaft zu werden, entgleiten sie einem wieder.

Ist das nicht geradezu umwerfend? Vorm geistigen Auge des Aphorismus-Produzenten liegt das Bierzelt-Publikum bereits grölend unter den Tischen, sich und einander auf die Schenkel klatschend, und er kommt in Fahrt. Junge Frauen sind wie Sand. Sie rinnen einem aus der Hand, aber man kriegt sie tagelang nicht aus den Ohren.

Politiker sind wie Klaviere. Oft angeschlagen, aber trotzdem standhaft. Beamte sind wie Telefone. Sehr kostspielig und dauernd besetzt. Daß Liebhaber wie Hosenträger, ältere Herren wie Fensterglas, Polizisten wie Sauerkraut sind, liegt für jeden Aphorismen-Profi nach kurzem auf der Hand.

Geht einem aber, wider Erwarten, irgendwann tatsächlich der Stoff aus, dann schüttele man die Parabelbegriffe unverdrossen weiter gegeneinander.

Ein Einfall, sinnlos und unverständlich wie „Apotheker sind wie Teppiche. Sie fliegen nicht, wollen aber dauernd gesaugt werden“, wird Sie in die Nähe von Ra-bindranath Tagore rücken. Und an der Bestseller-Qualität Ihrer geistigen Höhenflüge kann kein Zweifel mehr aufkommen.

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