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Aufs Tier gekommen?

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Sanger... wie Haustiere gehandelt! Menschen... aufs Tier herabgekommen!“ So charakterisiert Regisseur Peter Lotschak das schockierende Bild in Thomas Bernhards Salzburg-Stück „Die Berühmten“, das Dienstag im Theater an der Wien als „Burg“-Produktion für die Wiener Festwochen uraufgeführt wurde. Schweine, Hühner, Gänse, Enten tafeln da... Opferfiguren eines Kunstbetriebs, der im reinen Kommerzialisierungsprozeß steckengeblieben ist. „Ein Stück, das einen traumhaften Versuch darstellt, der menschlichen Vernichtungsmaschine zu entkommen!“ (Unsere Kritik lesen Sie in der nächsten Ausgabe der FURCHE.)

Trotz ungeheuren technischen Schwierigkeiten bei den Proben — „unter jedem vorstellbaren Niveau“ ärgert sich Lotschak über die Arbeitsbedingungen, die die Burg ihm bot — und mit einer Verschiebung um zwei Wochen konnte die Premiere um die Runden gebracht werden. Nur, der ganze Wirbel um das skandalumwitterte Stück, das zum Zankapfel zwischen dem Dichter Thomas Bernhard und Salzburgs Festspielpräsident Kaut wurde, hat sich nicht gelohnt: „Kein Grund zur Aufregung“, beschwichtigte schon vorher Dr. Lotschak: „Bernhard geht es doch nicht darum, einen Karajan oder Kaut selbst auf die Bühne zu bringen. Im Gegenteil, Bernhard wünschte sich die Anonymität der Schauspieler, ließ beziehungsvolle Namen streichen, er verhinderte bei den Proben selbst jede zu starke Charakterisierung — er hat .Kunstfiguren' einer ,Kunstgesellschaft' geschaffen.“

Bernhard will die Opfer des Kunstbetriebs, seinen Mechanismus vorzeigen. „Der Bassist zum Beispiel“, erklärt der Regisseur, „der Bassist singt da seinen 200. Baron Ochs von Lerchenau. Damit ist für ihn das Höchste erreicht. Das ist der Wendepunkt. Er wird zum Ochsen des Kunstbetriebs. Danach gibt es nur noch — geistige Leere!... Vielleicht ist das Stück so etwas wie der Traum des Bassisten, ein Versuch, sich von dieser Gesellschaft zu lösen. Denn er merkt, daß alle aufs Tier heruntergekommen sind, zum Beispiel die Sänger werden wie Luxushaustiere gehandelt.“

Der Ansatzpunkt, Bernhards effektvolles neues Stück zu inszenieren, ist freilich die Sprache selbst. „Ich versuchte zuerst, zu interpretieren, zu deuten, wollte .Längen' streichen ... Bis ich draufkam, daß da alles unerhört musikalisch gedacht, also eine formale Notwendigkeit ist. Und daß man so vieles gesprochen hören muß, um zu verstehen, daß vieles in diesem Stück nicht ,in Szene gesetzt' werden darf, sondern in sich ruhen muß.“

Und Lotschak, meint, es wäre verständlich, daß da den schöpferisch tätigen Regisseur manchmal eine Art Haßliebe überkomme und man am liebsten „mit dem Kopf gegen die Wand rennen“ möchte, weil alles, was man sich für dieses Stück ausgedacht hat, im Grunde schon zuviel ist. „Man muß hier szenisch immer weiter abräumen. Wie Bernhard selbst zu seinem Stück richtig anmerkt: .Abstraktion schwächt, Reduktion stärkt!“

So hat zum Beispiel Gian Maurizio Fercioni auf die Kostüme des weltberühmten Couturiers Cardin verzichtet. Wie auch Lotschak etwa seine Salzburger Anspielung auf die „Jedermanntafel“ mit schmatzenden Schauspielern aufgab. „Wir mußten verzichten, weil beides nicht die Distanz geschaffen hätte, die dieses Stück braucht!“

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