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Ein wichtiges Aufgabengebiet des Österreichischen P.E.N.- Club, nämlich die Kontakte zu Schriftstellern und Autoren in den osteuropäischen Ländern, ist durch die politischen Veränderungen des Jahres 1989 erleichtert worden. Nicht zuletzt den „ Poets, Essayists, Novelists" dieser Länder haben sie - wenn auch in unterschiedlichem Maß - mehr Freiraum verschafft. War und ist es doch vom Selbstver- ständnis und der Charta des Inter-

nationalen P.E.N.-Club her seine vornehmliche Aufgabe, sich „für die Freiheit des Wortes einzusetzen und gegen Gewaltanwendung und Unterdrückungsversuche zu kämp- fen". Schriftstellern und Autoren gelten auf internationaler Ebene die Solidaritätsadressen und Protestre- solutionen. Das Gewicht seiner ein- zelnen Mitglieder gibt diesen Auf- rufen Gewicht.

So ist die am 20.September an- stehende Wahl einer neuen Leitung für Österreichs P.E.N.-Club vor allem auch unter diesem Blickwin- kel zu sehen. Der Präsident, zwei Vizepräsidenten, der Generalsekre- tär, der Kassier und die Vorstands- mitglieder - alles ehrenamtliche Funktionen - sind neu zu wählen. Insgesamt umfaßt dieses Leitungs- gremium 32 Personen.

Grundsätzlich konnte jedes P.E.N.-Mitglied bis 6. September für diese Positionen Wahlvor-

schläge einbringen. Bis jetzt lie- gen mehrere Wahlvorschläge vor, übereinstimmend nennen sie Alexander Giese, ehemals Leiter der Kultur- und Wissenschafts- abteilung im ORF, als Präsidenten. Als Autor von biographischen Werken über Marc Aurel („Wie ein Fremder im Vaterland") oder über Severin („Geduldet Euch Brü- der"), von Romanen, Essays, Hör- spielen und Gedichten genießt Giese auch internationales Anse- hen.

Als Vizepräsidenten könnten der Dramatiker, Lyriker und „Litera- tur und Kritik"-Herausgeber Kurt Klinger („ Odysseus muß wieder rei- sen", „Auf dem Limes", „Das Kir- schenfest") und Albert Janitschek, Lyriker und Verfasser von Mun- dartgedichten („Fingerzeige", „Der Janitscharenturm", „Kontraste") gewählt werden. Für die Funktion des Generalsekretärs enthält die Vorschlagsliste die in Frankreich geborene, aber in Österreich le- bende Autorin Christine Singer („Der Tod zu Wien", „Histoire d'äme"- 1989 mit dem Prix Camus ausgezeichnet). Im übrigen P.E.N.- Vorstand wurden Neubesetzungen vor allem durch den Tod einiger Mitglieder erforderlich - auch Adolf Holl könnte laut Vorschlag eines

dieser neuen Mitglieder sein. Au- ßerdem sollen mehr als bisher Schriftsteller aus den Bundeslän- dern vertreten sein.

Wichtigste Aufgabe des neuen Präsidenten und der neuen Lei- tungsmitglieder ist die Vorberei- tung und Durchführung des näch- sten internationalen P.E.N.-Kon- gresses im November 1991 in Wien. Zu dieser Großveranstaltung wer- den etwa 500 Delegierte aus aller Welt erwartet. Noch vom ver- storbenen P.E.N.-Präsidenten György Sebestyen initiiert, wird sich der Kongreß vom 4. bis 8. November 1991 mit dem Thema „Neue Strukturen der Freiheit - Literatur als Diagnose und Thera- pie" befassen.

Auch für einen möglichen neuen Präsidenten Alexander Giese wür- de der Kongreß Schwerpunkt sei- ner zweijährigen Funktionsperio- de sein, die Identifikation mit der von ihm bereits als Vorstandsmit- glied mitbeschlossenen Veranstal- tung scheint jedoch gewährleistet. Die Kosten für diese international gewichtige Großveranstaltung wer- den vor allem aus öffentlichen Geldern bestritten, die Erschlie- ßung privater Finanzierungsquel- len ist bisher nur in bescheidenem Maß geglückt. Das Kongreßthema,

lange vor der politischen „Wende" beschlossen, ist von der Mittler- rolle Österreichs gegenüber Osteu- ropa geprägt. Auch in der künfti- gen P.E.N.-Tätigkeit soll diesem Schwerpunkt weiterhin Rechnung getragen werden.

Ein anderer Akzent künftiger P.E.N.-Tätigkeit, die stärkere Einbeziehung der Bundesländer - und damit auch eine Annäherung zwischen P.E.N.-Club und Grazer Autorenversammlung, wird je- doch vermutlich weiterhin auf Hindernisse stoßen. Die schon von György Sebestyen gestarteten Versuche, die Spannungen zwi- schen den beiden Schriftsteller- vereinigungen abzubauen, haben nur wenig Erfolg gehabt. Diese Spannungen sind vor allem des- halb nicht leicht aus der Welt zu schaffen, weil die Mitgliedschaft beim P.E.N.-Club neben dem Nachweis einer Buchpublikation vor allem das Ansuchen jedes ein- zelnen Autors-auch als Qualitäts- auslese -voraussetzt, während nach den Vorstellungen der Grazer Au- torenversammlung der kollektive P.E.N.-Beitritt aller Mitglieder der Autorenversammlung möglich sein müßte. Die Einzelabstimmung über die Mitgliedschaft ist aber inter- national einheitlich geregelt.

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