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Babylon oder Pfingsten?

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Kommt die Kirche mit den Grundregeln der Kommunikation in einer pluralistischen Gesellschaft zurecht? Bietet sie ihre Botschaft auf dem Marktplatz des globalen Mediendorfes von heute ihrem Auftrag und dem Bedarf der Menschen gemäß an?

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Kommt die Kirche mit den Grundregeln der Kommunikation in einer pluralistischen Gesellschaft zurecht? Bietet sie ihre Botschaft auf dem Marktplatz des globalen Mediendorfes von heute ihrem Auftrag und dem Bedarf der Menschen gemäß an?

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Daß „Communio et progressio”, die am 23. Mai 1971 publizierte Pastoralinstruktion über die Instrumente der sozialen Kommunikation, ein römisches Dokument ist, dessen Wert die Betroffenen in Kirche und Medien weitgehend anerkennen, ließ der Kongreß zum 20-Jahr-Jubiläum in Wien (6. bis 8. Juni) durchaus spüren, stellt doch dieser vom Konzil in Auftrag gegebene Text mit seiner Sicht von Meinungsfreiheit und freiem Informationsfluß in Kirche und Gesellschaft sowie seinem Verständnis für die Medienarbeit einen Markstein dar.

Der von fünf Institutionen veranstaltete Kongreß - Unda-Europa, Redaktion Communicatio Socialis, Katholisches Zentrum für Massenkommunikation Österreichs, Katholischer Mediendienst (Zürich) und Zentralstelle Medien der Deutschen Bischofskonferenz - hielt sich aber nicht mit einer Retrospektive auf, sondern stieg in den drei Arbeitskreisen direkt in Probleme von heute ein:

- das Ringen der Kirche Osteuropas um die Nutzung der neuen Chancen für kirchliche Medienarbeit, oft vor dem Hintergrund von zu wenigen qualifizierten Leuten und von Spannungen zwischen Klerus und Laien,

- die Rolle der Kirche in der 500jäh-rigen Geschichte Lateinamerikas, die 1992 sicher ein heikles Medienthema sein wird,

- Evangelisation durch Massenmedien und ihre eher geringen Chancen.

Die im Wiener Funkhaus eröffnete und im Bildungshaus Lainz fortgesetzte Veranstaltung mit gut lOOTeil-nehmem aus Mittel- und Osteuropa wurde von Referaten von Johann Baptist Metz, Theologe aus Münster, und von Wissenschaftsminister Erhard Busek umrahmt.

Metz nahm Eurozentrismus und Medienkolonialismus aufs Korn. Auch wenn die Kirche in die Minderheit und in eine globale Diaspora geraten sollte, müßte eine kirchliche Kommunikationskultur Symptomen

„einer neuen Sekten- und Ghettomentalität” (Fundamentalismus, Traditionalismus, Zelotentum, Militanz, Loyalitätsüberdruck) widerstehen. Aufsehen erregte Metz, als er, sich auf Dietrich Bonhoeffer und Karl Rahner berufend, für „metaphysische Scham” und einen Rest frühchristlicher „Ar-kandisziplin” eintrat: Die heilige Messe gehöre nicht ins Femsehen,

Ungläubige sollten Zugang zum Wort, aber nicht zum Sakrament haben.

Daß Erhard Busek dann - in offensichtlicher Unkenntnis des Metzschen Vorstoßes - in seinem Schlußreferat am Christentum positiv hervorhob, daß es keine „Arkandisziplin” kenne, war zwar nur ein scheinbarer Widerspruch zu Metz, sorgte aber für etwas Heiterkeit. Busek sieht in der Kirche „das größte Medium der Weltgeschichte”, das aber oft nicht mehr die Botschaft, der sie dienen sollte, sondern vor allem sich selber transportiere, sodaß den Empfänger statt der Botschaft der Kirche nur mehr deren Erscheinungsbild erreiche.

Der Schirmherr des Kongresses, Kardinal Franz König, hatte in einem Grußwort die Frage aufgeworfen, an welchem Modell sich Kommunikation im „global village” von heute ausrichte: am Modell des Turms von Babel oder am Modell von Pfingsten. Auch Busek bezog sich auf Pfingsten: „Auf die heutige Weltkirche und ihre zentralistischen Tendenzen übertragen, lautet die Frage: Erwartet man sich in Rom als neues Pfingstwunder, daß plötzlich alle ,Römisch' verstehen? Wäre es nicht biblischer, auf das Pfingstwunder zu hoffen, daß alle Rom in ihrer eigenen Sprache reden hören und somit eine ihnen verständliche Botschaft empfangen?”

Busek warf die Frage auf, ob die Kirche überhaupt gesprächsfähig sei, ob sie überhaupt mit allen Konsequenzen eine demokratische und pluralistische Öffentlichkeit akzeptiere, denn wer sich auf den Meinungsmarkt der demokratischen Öffentlichkeit begebe, müsse wissen, daß man sich dort nicht auf eine Legitimation von außen berufen dürfe. Es komme darauf an, was einer sagt und wie er es sagt. „Jede Instititution, die nur einen Mund hat, aber keine Ohren, hört nichts und wird auch nicht angehört.”

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