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Barockoper und Volksoper

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Auf alten Instrumenten und mit einer Gesangslinie, die etwa den Vorstellungen entspricht, die wir uns heute von der Vokalinterpretation des 17. Jahrhunderts machen, wurde „The Fairy Queen“ von Henry Pur-cell anläßlich der „Schwedischen Musikwoche“ im Großen Musik-vereinssaal aufgeführt. Der Komponist ist 1695 im Alter von zirka 36 Jahren — sein Geburtsjahr ist umstritten — als königlicher Hofkomponist gestorben. „The Fairy Queen“ ist sein.letztes Werk für die Bühne (wohl 1693 entstanden und 1901 nach langer Verschollenheit wieder aufgetaucht). Das Libretto ist eine freie Variante des Stoffes von Shakespeares „Sommernachtstraum“. So steht das Thema von Liebe und Leid der Feenkönigin Titania am Anfang und am Ende der Herrschaftsepoche des Hauses Stuart in England.

In der Stimmungslage ist Purcell typisch für die letzten Jahre der Restauration der Stuarts. Die harmonische Kühnheit der Partitur und die eigenwillige Instrumentierung weisen freilich weit über die Zeitgenossen von Purcell hinaus.

Das von Eric Ericson sehr überzeugend dirigierte Konzert wurde stilistisch durch die akkurate Forschungsarbeit von Nicolaus Harnon-court bestimmt, dessen Concentus Musicus zusammen mit der Musica Holmiae den instrumentalen Teil des Abends betreute. In dem ausgezeichnet abgestimmten Solistenquintett ragte vor allem der Kontratenor Paul Esswood hervor. Der Kammarkören Stockholm erwies sich als Klangkörper von beachtlicher Disziplin und großer Einsatzfreude.

Der unstreitige Erfolg des Abends sollte die Gesellschaft der Musikfreunde veranlassen, häufiger Opern der Barockzeit konzertant in originaler instrumentaler Besetzung ins Programm aufzunehmen. Unserer musikalischen Bildung würde damit sehr wesentlich aufgeholfen werden.

R. E.

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Nach längerer Pause wurde in der Volksoper am Nationalfeiertag wieder einmal Kienzls „Evangelimann“ gegeben. In der Inszenierung Zbo-nefes, in der Ausstattung von Hoesslin-Schlesinger mit Rudolf Bibl am Pult sang Anton Dermota die Titelpartie. Natürlich entspricht er heute dem Evangelimann des zweiten Aktes mehr als dem stürmischen jungen Matthias, aber der Künstler ist immer noch im Vollbesitz seiner stets wieder ergreifenden Belcanto-stimme. Rollendeckend und gleichfalls im Schöngesang exzellierend: Gertrude Jahn und Christiane Sorell, imposant Artur Korn als Justitiar, dramatisch und stimmlich rollendeckend Ernst Gutstein als Johannes. — Bald 80 Jahre alt ist Kienzls „Evangelimann“, und immer noch rüstig und beliebt beim Publikum. Seien wir froh, daß Kienzl statt seiner nicht ein Projekt verwirklicht hat, daß ihm damals — und schon Jahre vorher — durch den Kopf ging: eine Münchhausen-Oper mit Elementen aus Immermanns Oberhof-Idylle, verquickt mit Motiven aus dem Sagenkreis um König Arthus. Das wäre ein Malheur geworden. So aber haben wir eine echte Volksoper. Und wie viele gibt's schon von der Gattung?

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