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Beleidigung und Hausverbot

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Im Konsum Österreich herrschen nicht nur in Sachen Betriebsdemokratie wilde Sitten (FURCHE28/1981 j. A uch manche Konsumenten haben nichts zu lachen, wenn sie nicht fügsam sind: A li Hadjiaghai kann davon ein Lied singen. Mit einem zweitägigen Hungerstreik versuchte ersieh zu wehren.

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Im Konsum Österreich herrschen nicht nur in Sachen Betriebsdemokratie wilde Sitten (FURCHE28/1981 j. A uch manche Konsumenten haben nichts zu lachen, wenn sie nicht fügsam sind: A li Hadjiaghai kann davon ein Lied singen. Mit einem zweitägigen Hungerstreik versuchte ersieh zu wehren.

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Mittwoch, 15. Juli. Es ist zehn Uhr. In der frequentierten Wiener Schottenpassage bei der Wiener Universität, dem sogenannten „Jonas-Reindl“, beginnt Ali Hadjiaghai, assistiert von seinem Anwalt Heinrich Wille, einen zweitägigen Hungerstreik.

Sein Ziel: ein über ihn - wie er vermeint - willkürlich verhängtes Hausverbot im Konsum-Imperium zu Fall zu bringen.

Im Scheinwerferlicht für die Fernsehkameras und umringt von Journalisten und Passanten, sucht Ali Hadjiaghai Für seine Ein-Mann-Initiative Unterstützung.

Oowohl sich der ORF schon am Vortag Anwalt Wille gegenüber an diesem Fall interessiert gezeigt hatte und einen Drei-Minuten-Beitrag drehen wollte, verkümmerte die Information auf dem Weg zum Fernsehschirm: Zwar gab es noch in der TV-„Mittagsredaktion“ am 15. Juli einen kurzen Filmbericht, doch zu dem vorgesehenen „öster- reichbild“-Beitrag kam es nicht mehr.

„Der unbeteiligte Beobachter müßte meinen, daß der Konsum da interveniert hat“, nimmt Heinrich Wille die Zuschauerrolle ein.

Der unbeteiligte Beobachter kann sich auch sicher darauf einen Reim machen, daß ein „Kurier“-Bericht über diesen Hungerstreik von der Abend- zur Morgenausgabe des Blattes am 16. Juli spurlos verschwand.

Ali Hadjiaghai läßt sich dadurch freilich ebensowenig entmutigen, wie er sich die letzten drei Jahre hindurch durch Rückschläge entmutigen ließ.

Ali Hadjiaghai, als persischer Student nach Österreich gekommen und inzwischen österreichischer Staatsbürger, mit einer Krankenschwester verheiratet und Vater von zwei minderjährigen Kindern, machte vor drei Jahren einen entscheidenden Fehler:

Als politisch unbefangener Neuösterreicher schloß er sich begeistert dem Arbeitskreis der Wiener Arbeiterkammer „Konsument Aktiv" (AK wie Arbeiterkammer) an und kontrollierte eifrig beim Einkauf als Hausmann Preisauszeichnungs- und andere Vorschriften. Allerdings nicht beim kleinen Greißler, sondern beim großen Konsum.

Das hätte er nicht tun sollen. Denn so kam es am 12. April 1978 im Wiener Konsum-Großmarkt (KGM) Floridsdorf zu einem aufgeregten Disput, in den sich plötzlich auch der dortige Trafikant Ludwig Flehberger eingemischt hat. „Du Kameltreiber, dich sollte man aus dem Konsum und aus Österreich hinauswerfen!“ klingt es Hadjiaghai heute noch im Ohr.

Der so beschimpfte Konsument klagte Flehberger auf Ehrenbeleidigung - und das Gericht verurteilte, auf Zeugenaussagen gestützt, den Trafikanten. Inzwischen verlor Flehberger insgesamt bereits drei Ehrenbeleidigungsprozesse sowie einen gegen den Neu-Österreicher angestrengten Prozeß

wegen Kreditschädigung - und damit schon 50.000 Schilling.

Daß Ali Hadjiaghai um seine Ehre und sein Recht gekämpft hat, das war der zweite entscheidende Fehler. Denn der Trafikant Ludwig Flehberger hat einen Schwiegersohn: Konsum-Generaldirektor Manfred Kadits, der zu Beginn die Hadjiaghai-Klage gegen seinen Schwiegerpapa abzuwenden versuchte.

Was sich dann abspielte, liest sich in der gerichtlichen Entscheidung, mit der Flehbergers Klage wegen Kreditschädigung abgewiesen wurde, so:

„Bei dem am 6. Juli 1978 stattgefunden Gespräch erklärte Generaldirektor Kadits, für den Beklagten (Anm: Hadjiaghai) überraschend, daß die Belegschaft streiken wolle, wenn gegenüber dem Beklagten kein Hausverbot ausgesprochen würde. Dieser von Kadits genannte gewerkschaftliche Druck wäre aber dann weggefallen, wenn der Beklagte sofort seine Ehrenbeleidigungsklage gegen den Kläger (Anm: Flehberger) zurückgezogen hätte. Schon daraus ergab sich für den Beklagten der

Zusammenhang zwischen Hausverbot und Prozeß gegen den Kläger.“

Jedenfalls konnte Richter Otto Orze- chowski vom Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen in seiner Entscheidung vom 19. Dezember 1980 „den glaubwürdigen und detaillierten Depositionen des Beklagten“ Hadjiaghai durchaus folgen, „wofür doch auch die allgemeine Lebenswahrscheinlichkeit und Lebenserfahrung spricht“.

Diesen Zusammenhang bestreitet der Konsum nach wie vor, nicht aber die Streikdrohung der Belegschaft.

Ihr Zustandekommen rückt freilich durch die eidesstättige Erklärung einer ehemaligen Konsum-Angestellten in ein anderes Licht, die Anwalt Wille zur Hand hat.

„Im Frühjahr 1978“, erklärt darin Ursula Grojer,“ ging im Konsumgroßmarkt Floridsorf eine Mitteilung von Mund zu Mund, daß nämlich Herr Ali … den Schwiegervater des Generaldirektors Kadits … geklagt hat, weil

Flehberger Ali einen .Kameltreiber genannt hatte…"

Und weiter: Als mir dann etwa im Mai oder Juni 1978 von der damaligen Betriebsrätin … eine Erklärung vorgelegt wurde, die ich unterschreiben sollte, weigerte ich mich. Mit dieser Erklärung sollte zum Ausdruck gebracht werden, daß Ali Hadjiaghai nicht mehr in den Konsumgroßmarkt hereingelassen werden sollte, widrigenfalls die Belegschaft streiken würde…"

Nach dieser Weigerung wurde Frau Grojer von der Kassa zur Leergutrücknahme versetzt und bekam noch dazu Sprechverbot. Daraufhin kündigte sie.

Trotzdem beruft sich Konsum-Direktor Hermann Gerharter der FURCHE gegenüber heute noch auf diese Streikdrohung, um das formelle Hausverbot weiterhin zu begründen. Freilich: „Wenn er nicht provoziert" (Ger- harter), darf Ali mitsamt Hausverbot einkaufen.

Das ist nicht minder provokant.

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