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Das beste kam zum Schluß

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Dieses Meisterwerk wird, trotz seiner abwechslungsreichen 1 Handlung und der fünf Schauplätze, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt 1 längers Und wenn Wagner ausgiebig „lustig' wird, kann man : eine Gänsehaut bekommen. Daher hat Wolf Rosenberg sich mit ' gutem Grund in dem wie immer sorgfältig redigierten und reichhaltigen Programmheft mit Wagners Spaßen auseinandergesetzt. ! Resümee: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ — Dabei wurde man von dem flotten, unpathetischen Musizieren Chri- i stoph von Dohnanyis zusätzlich animiert, wenn auch nicht gerade ; hingerissen. Er versucht (im Unterschied zu Karajan, der Wag- i ners Partituren als eine Art Kammermusik für großes Orchester ] mit immer wieder interessanten Hervorhebungen einzelner Stirn- men präsentiert) einen wohlausgewogenen Gesamtklang zu erreichen, ohne Speziellen „sound“, es wäre denn jener natürliche [ „philharmonische“. Im Programmheft .findet sich..auch, farbig reproduziert ,und,s''proforma Vr-Mi AquarUL ^ÄPg went I aus dem Jahre 1642, Nürnberger Gerberhäuser darstellend. Mit ] diesen Farben, Formen und Proportionen kann Jürgen Rose 1 nur in einem der fünf Bilder konkurrieren, und zwar in dem ; letzten.

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Dieses Meisterwerk wird, trotz seiner abwechslungsreichen 1 Handlung und der fünf Schauplätze, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt 1 längers Und wenn Wagner ausgiebig „lustig' wird, kann man : eine Gänsehaut bekommen. Daher hat Wolf Rosenberg sich mit ' gutem Grund in dem wie immer sorgfältig redigierten und reichhaltigen Programmheft mit Wagners Spaßen auseinandergesetzt. ! Resümee: „Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ — Dabei wurde man von dem flotten, unpathetischen Musizieren Chri- i stoph von Dohnanyis zusätzlich animiert, wenn auch nicht gerade ; hingerissen. Er versucht (im Unterschied zu Karajan, der Wag- i ners Partituren als eine Art Kammermusik für großes Orchester ] mit immer wieder interessanten Hervorhebungen einzelner Stirn- men präsentiert) einen wohlausgewogenen Gesamtklang zu erreichen, ohne Speziellen „sound“, es wäre denn jener natürliche [ „philharmonische“. Im Programmheft .findet sich..auch, farbig reproduziert ,und,s''proforma Vr-Mi AquarUL ^ÄPg went I aus dem Jahre 1642, Nürnberger Gerberhäuser darstellend. Mit ] diesen Farben, Formen und Proportionen kann Jürgen Rose 1 nur in einem der fünf Bilder konkurrieren, und zwar in dem ; letzten.

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Aber man hatte sich, angesichts der enormen Ausstattungskosten von über 5 Millionen Schilling, für sämtliche Szenen das Allerbeste erwartet — und wurde, offen gesagt, enttäuscht. Denn was der teure Bühnenbildner Jürgen Rose da serviert (wir haben an dieser Stelle eine Ballettausstattung von ihm sowie seine Bühnenbilder und Kostüme zu „Salome“ ausführlich und positiv gewürdigt) ist simpelster Realismus. Angeblich nach alten Stichen wurden die ersten beiden Bilder nachgebaut. Ihr Vorzug war freundliche Helligkeit. Aber dann, statt einer Nürnberger Gasse: ein nicht eben sehr geräumiger Bauernhof, aus dessen Gebäuden (für die Prügelszene) Menschenmassen herausquellen. Und die Poesie des Anfangs und des Endes vom zweiten Akt (ohne eine Spur von Nürnberger Atmosphäre — und ohne Mond) kam ausschließlich aus dem Orchestergraben und von den Sängern.

Darnach: eine etwas zu geräumige Schusterwerkstatt, und zum Schluß, als richtiger „Herausreißer“: statt der konventionellen Festwiese ein riesiges, girlandengeschmücktes Zelt, dahinter ein Stückchen Grün und ein hellblau leuchtender Himmel. — Der Aufzug der Zünfte: eher gelöst und ausgelassen als feierlich-festlich. Und dann erst der Reigentanz der Mädchen! Zu einer Musik übrigens, die in dieser Art von Wagner nur ein einziges Mal geschrieben wurde (zuweilen Orff vorwegnehmend). Nur für die prunkvollen Zunftstandarten hat es offenbar nicht mehr gereicht; sie waren durch recht bescheidene Wimpel etwa im Stil des Wandervogels ersetzt.

Im Ganzen ist zur Regie Otto Schenks zu sagen, daß ihm die Vermenschlichung der einzelnen Gestalten gut gelungen ist, am facettenreichsten Hans Sachs, der in Karl Ridderbusch einen stimmlich wie schauspielerisch gleichermaßen hervorragenden Interpreten gefunden hat. Er ist unter der Leitung des Regisseurs in diese anspruchsvolle Rolle richtig hineingewachsen. — Gundula Janowitz, ungünstig frisiert und angezogen, sehr imposant singend, ist die Pogner-Tochter Eva nicht gerade auf den Leib geschrieben, wohl aber Gertrude Jahn, die Magdalena und Heinz Zednik der Lehrbub David. — James King als Ritter von Stolzing enttäuschte nicht — und das will nach so vielen Janren etwas heißen ... Kurt Moll als Pogner wirkte, nachdem er sich vor dem zweiten Akt wegen Indisposition entschuldigen ließ, so „erholt“, daß man von seiner Unpäßlichkeit nichts mehr bemerkte. Allen Meistersingern (Terkal, Helm, Wolansky, Nitsche, Wendler, Aichberger, Prögl-höf, Sramek und Pernerstorfer) ein Pauschallob, lauter Meister ihres Fachs, kein Versager. Peter van der Bilt war ein eher rührender als karikierender Beckmesser. Bestens studiert, rein und schön singend — der Staatsopernchor.

Immer wieder staunt man darüber, wie dicht bei Schenk die Extreme von Gelingen und fast dilettantischem Danebengreifen beieinander liegen. Ausgesprochen mißlungen war die Prügelszene. Zu ihrer Profilierung hätte er mindestens drei oder vier Paare einsetzen müssen, die miteinander trainiert haben. Aber so war.es eine wüste Balgerei: alle gegen alle, völlig sinnlos. Sehr hübsch arrangiert: das Schlußbild, und klug „zurückgenommen“: Hans Sachsens Apotheose der Deutschen Kunst, die nicht ins Publikum geschmettert, sondern an den jungen Stolzing gerichtet war. Gut so, sehr gut. — Und daß wir ja die übrigen Meister nicht vergessen: sie saßen im Orchester und entfalteten in Soli, Gruppen und im Ensemble einen kaum zu überbietenden Wohlklang, an dem diese Partitur ja so überreich ist. — Viel verdienter Beifall. Gegen wen oder was die vereinzelten Buhrufe gerichtet waren, blieb mir unklar. Doch nicht etwa gegen den hierorts so beliebten, so überaus geschätzten Realismus von Regie und Bühnenbild? Helmut A. Fiechtner

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