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Das Kirchenklima stimmt traurig

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„Wir lehnen es ab, daß integre Christinnen und Christen - Kleriker und Laien - in Ausübung ihres Rechtes auf freie Meinungsäußerung mit Hilfe gesetzlicher Gesetzesmechanismen diszipliniert werden. Die Formel .vergeben ja, nachgeben nein' ist nie, auch nicht in der aktuellen Konfliktsituation, ein Instrument des Dialogs."

So lautet einer von sechs Punkten der „Neuwaldegger Erklärung", die auf der Frühjahrstagung der KAÖ (Katholische Aktion Österreichs) in Wien mit 48 Pro-Stimmen bei einer Stimmenthaltung beschlossen wurde. In der Erklärung solidarisieren sich die KAÖ-Delegierten mit „allen, die sich im Geist des II. Vatikanischen Konzils als mündige Katholikinnen und Katholiken für die Kirche engagieren und dabei in unzumutbare Gewissenskonflikte gebracht oder in Existenzängste gedrängt werden". Sie unterstützen jene, „für die die innerkirchliche Polarisierung eine schwer erträgliche Belastung in der Ausübung von Berufung und Beruf darstellt", wehren sich „gegen das Zurückdrängen bewährter Formen der Mitbestimmung in der katholischen Kirche" und wünschen sich „eine Kirche, in der nicht nur von Wahrheit geredet, sondern mit ihr auch wahrhaftig umgegangen wird".

Manche sehen djese Erklärung als Wortbruch der KAÖ, denn im Protokoll eines Treffens von KAÖ und Bischöfen in Subiaco 1985 heißt es: „Es wird festgestellt, daß auftretende Konflikte möglichst im inneren Raum, nicht über die Medien ausgetragen werden sollen, wobei auch Diözesan-konflikte nicht durch das Einmischen gesamtösterreichischer Einrichtungen verschärft werden sollen."

KAÖ-Präsidentin Eva Petrik findet darin „überhaupt keinen Widerspruch" zum Vorgehen der KAÖ: „Nicht wir haben auftretende Konflikte in die Medien gebracht." Man habe mit der Erklärung keine Probleme vom Zaun gebrochen, man wollte nur aus der Situation das Beste machen, „aus dem Gefühl, daß wir uns durch Schweigen mitschuldig machen". Petrik betont: „Ich würde mit oderohne Subiaco-Erklärung nie von mir aus einen Konflikt medial austragen wollen, solange ich nicht alles versucht habe, ihn intern auszutragen." Auf die Erklärung registrierte sie in den ersten Tagen viele positive Reaktionen, eine negative kam von einem Mitglied von „Pro occidente".

Die Situation der Kirche sieht Eva Petrik mit „großer Traurigkeit". Sie habe die Entwicklung der Kirche in den letzten 40 Jahren miterlebt: „Es war ein Wachsen zur Mündigkeit, ein Miteinander und eine Zusammenarbeit. Auch uns hat größere Pluralität zuweilen Sorgen gemacht. Wir haben aber den Dialog gelernt. Ich stehe zu einer Kirche, die Progressives und Konservatives braucht. Das Klima des Miteinander scheint wieder abzunehmen. Es erschreckt mich, wie in der Kirche heute Angst aufkommt."

Hat Petrik Probleme mit dem „Gehorsam"? „Ich bin durchaus bereit, kirchlichen Vorgesetzten gegenüber Gehorsam zu leisten, wenn das Gehorsam ist, den sie für Gott verlangen. Ich tue mich manchmal in letzter Zeit einigen Repräsentanten der Kirche gegenüber schwer und frage mich: Verlangen sie Gehorsam für Gott oder für sich selbst? Es würde uns allen gut tun, diese Unterscheidung sehr genau zu treffen."

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