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Wider Angst und Kleinmut

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„Wahrscheinlich wollte man einen Generationenwechsel, jemanden, der völlig unbefangen frischen Wind bringt.“ So kommentiert Paul Schulmeister, Leiter der TV-Auslandsredaktion des. ORF, seine überraschende Wahl zum Präsidenten der Katholischen Aktion Österreichs (KAÖ). Auch ein neuer Geistlicher Assistent der KAÖ wurde bei der Konferenz am 28. September im Salzburger Bildungshaus St. Virgil vorgeschlagen: der Grazer

Hochschulseelsorger Heinrich Schnuderl. Beide Personalentscheidungen bedürfen noch der Zustimmung der österreichischen Bischofskonferenz.

Welchen frischen Wind wird nun Schulmeister, seit seinem Engagement bei der Katholischen Hochschuljugend in den frühen sechziger Jahren in katholischen Funktionärskreisen „ein unbeschriebenes Blatt“, in Österreichs größte katholische Laienorganisation bringen?

Schulmeisters Leitlinie, die er bereits vor seiner Wahl in Salzburg vertrat, ist das Bibelwort „Löscht den Geist nicht aus!“: „Die Katholische Aktion muß die mitreißende Kraft dessen, was christlicher Geist ist, spürbar machen.“

Die Emanzipation der letzten Jahre sei, so Schulmeister, oft nur eine Emanzipation vom eigenen Gewissen gewesen. Der Bürger sei selbstgenügsam und indifferent geworden. Aber das Christentum dürfe nicht privat und unverbindlich werden, die Katholische Aktion müsse öffentlich und verbindlich agieren.

Mit einem konkreten Programm konnte und wollte Schulmeister weder vor noch knapp nach seiner Wahl aufwarten: „Nach neun Jahren einer wirklich exzellenten und für mich vorbildlichen Präsidentschaft durch Eduard Ploier wäre es ja unsinnig und anmaßend, hier mit völlig neuen Strategien zu kommen. Ich brauche die Unterstützung und den Rat der ungleich erfahreneren Mitarbeiter im Präsidium und in anderen Leitungsgremien der KA.“

Grundsätzlich sieht Schulmeister, der zunächst „zuhören“ und „konsensbildend wirken“ will, die Situation so: „Es gibt in Österreich zuviel falsche, unangebrachte Kleinmütigkeit und Ängstlichkeit. Es gibt die Tendenz, sich zu verschanzen, auch hinter den schützenden Mauern einer Pfarrgemeinde. Heute ist aber nicht die Zeit, sich, was christliche Glaubensinhalte betrifft, aus Opportunitätsgründen und weil man j a jemanden vor den Kopf stoßen könnte, zurückzuhalten. Das halte ich für grundfalsch“.

Schulmeister plädiert dafür, „mit Zuversicht“ zu handeln, mit Offenheit und „ohne provinzielle Enge“. Er nennt ein konkretes Beispiel: die Ende August mit italienischen Rimini vom „Movi-mento populäre“ veranstaltete Tagung „Bestie - Parsifal - Su-perman“, bei der sich zehntausen-de junge Menschen „eben nicht in einer Haltung der Resignation, sondern außerordentlich weltzu“ gewandt“ mit der heutigen Situation und dem Sinn des Lebens auseinandersetzten. Die Fragen dort lauteten: Ist der Mensch eine auf Zerstörung angelegte Bestie, ein idealistischer Wahrheitssucher oder der große Macher, der von der Genmanipulation bis zum Sternenkrieg alles in den Griff bekommt?

„Wir sind keine ,Warte-ab-“ sondern eine ,Geh-hin-Kirche“\ zitiert Schulmeister den deutschen Kardinal Joseph Höffner, um seinen Leitgedanken auszudrücken. Und er stimmt auch einem Wort von Kardinal Joseph Ratzinger voll zu: „Alles, was Institution in der Kirche ist, ist zweitrangig gegenüber der Tatsache, daß Christus das Haupt und wir alle die Glieder der Kirche sind.“

Insofern gibt sich Schulmeister auch völlig offen gegen katholische Organisationen außerhalb der KAÖ und fühlt sich „allem verbunden, was dazu dient, christlichen Inhalten mehr Geltung zu verschaffen“.

Der Gefahr, eines Tages in einer „Zeit im Bild“ als KA-Präsident zitiert zu werden und wenige Momente später mit einem außenpolitischen Kommentar auf dem Bildschirm zu erscheinen, hofft er durch entsprechende Planung zu entgehen. Wer von ihm erwarte, er könne das TV-Programm „in katholischem Sinne“ beeinflussen, sei auf jeden Fall „auf dem Holzweg“.

Carl Friedrich von Weizsäckers Vorschlag, schon bei der nächsten Bischofssynode ein ökumenisches Friedenskonzil anzupeilen, wurde von der KAÖ in Salzburg einhellig unterstützt.

Ist der designierte KAÖ-Präsi-dent mit allen päpstlichen Aussagen einverstanden? „Selbstverständlich nicht“, erklärt Schulmeister. „Mir hat zum Beispiel gut gefallen, was neulich Altbischof Rusch zu Fragen der kirchlichen Sexualmoral geschrieben hat (vgl. FURCHE 38/85). Ich finde, er hat mit der Ernsthaftigkeit seines Anliegens und dem Hinweis auf Phänomene, die auch in der Kirche zeitbedingt waren und sind, vollkommen recht. Auch das, was Altbischof Schoiswohl in einem Interview in der .Kleinen Zeitung' zur stärker zu betonenden Kollegialität der Bischöfe gesagt hat, fand ich richtig. Es ist ja erstaunlich, daß gerade die Altbischöfe in ihren alten Tagen nun mehr Mut haben als mancher residierende Bischof.“

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