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Denkt an die Landler!

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Hilfe für die „Land ler" Siebenbürgens, vor Jahrhunderten als Protestanten aus Österreich ausgewiese n , wäre für Kathol iken konkre ????e Anwendung der Lehren des Sozialhirtenbriefs .

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Hilfe für die „Land ler" Siebenbürgens, vor Jahrhunderten als Protestanten aus Österreich ausgewiese n , wäre für Kathol iken konkre ????e Anwendung der Lehren des Sozialhirtenbriefs .

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Die Landler sind Nachkommen jener Protestanten, die im 18. Jahrhundert einzig ihres Glaubens wegen unter oft ganz unmenschlichen Bedingungen aus der Steiermark, atts Kärnten und Oberösterreich, dem Land ober der Enns - daher der Name Landler - nach Siebenbürgen zwangsverschickt wurden.

Einheit von Staat und Religionsbekenntnis war in der damaligen Zeit allen Herrschern unverzichtbare Garantie für Ordnung im Land. Daher waren auch für Karl VI. und

Maria Theresia die trotz Gegenreformation in Österreich verbliebenen Protestanten kriminelle Störe- • friede. Konnten sie nicht „auf gute arth", wie es amtlich hieß, zum katholischen Bekenntnis gebracht werden, dann mußte der Ordnung mit Gewalt zum Durchbruch verholfen ,werden.

Da man aber auf die Protestanten, von denen ohnedies schon ????u viele in protestantisch regierte Länder geflüchtet waren, als brave Steuerzahler nicht verzichten wollte, begnügte man sich mit der Zwangsverschickung von „Rädelsführern" , deren Schicksal das übrige Volk abschrecken sollte, weiter im falschen Glauben zu verharren: Eine Rechnung, die nicht aufging, wie spätestens nach Erlaß des Toleranzpatents Joseph II. 1781 das rasche Erstehen offener lutherischer Gemeinden zeigte.

Mit besonderer Brutalität wurde unter Karl VI. in den Jahren 1734 bis 1736 gegen Kärntner Protestanten vorgegangen: Die Akten listen die Deportation von 323 Menschen auf, darunter aber nur 3 1 Kinder; 250 Kinder wurden von den Eltern getrennt und gut katholischen Familien zur Erziehung überantwortet., Der Besitz der Protestanten wurde eingezogen und die Deportierten ohne jede Hilfe auf durch Jahrzehnte von Türkenkriegen verwüstet ????m Boden ihrem Schicksal überlassen; für die Hälfte von ihnen bedeutete dies den Tod binnen einem Jahr.

Etwas menschlicher wurde bei den zur gleichen Zeit erfolgten Deportationen aus dem Salzkammergut verfahren und bei jenen unter Maria Theresia in den fünfziger Jahren. Den Eltern wurden ihre Kinder und ein erheblicher Teil jhres Vermögens belassen, so waren bessere menschliche und materielle Startbedingungen gegeben, · wenn auch immer noch ein Drittel der Deportierten in den ersten Jahren verstarben. Die ersten hatten den Tod, die zweiten die Not, die dritten erst das Brot, heißt es in einem Sprichwort.

Die Landler bewahrten Eigenart und Sprache trotz der Aktivitäten im vorigen Jahrhundert, sie zu magyarisieren und in diesem, sie zu romanisieren.

Nach der Eroberung Rumäniens durch die Rote Armee wurde fast die gesamte erwachsene Bevölkerung zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschickt, wo der Tod reiche Ernte hielt.

Wer noch zurückkam, sah sich mit der Enteignung seines Bodens konfrontiert und mußte die Jahre unvorstellbaren Elends unter Nicolae Ceausescu erleiden. Was Wunder, daß viele Jüngere dankbar annahmen, daß Bonn allen Deutschen, ohne Rücksicht auf ihr ursprüngliches Herkunftsgebiet,

gegen Zahlung eines Kopfgeldes die Chance bot, der Hölle Ceausescus zu entrinnen.

Heute leben in den drei Landlergemeinden im Raum von Hermann- . stadt geschätzte 4000 Landler. Die einen wollen dort einen neuen Anfang wagen, andere wollen fort. Verständlich: Rumänien hat auch nach den Wahlen eine kommunistisch dominierte Regierung.

Das Vertrauen in ihren demokratischen Wandel und in ihre Versprechungen toleranter Behandlung der Minderheiten hält sich in Grenzen.

Ein österreichisches Visum zu erlangen, sei es zum vorübergehenden, sei es zum dauernden Aufenthalt in Österreich oder auch zur Durchreise, ist ein Problem. Dazu bedarf es einer langwierigen und teuren Fahrt nach Bukarest, da es in den deutschsprachigen Gebieten Rumäniens zwar drei deutsche Konsulate gibt, so auch eines in

Hermannstadt, aber kein österreichisches.

Immer wieder hört man Klagen über die schleppende unci strenge Bearbeitung der Visaanträge. Auch vermißt man eine der rumänischen Sondersituation Rechnung tragende, weitherzige Auslegung der Genfer Konventionsbestimmungen.

Nach der gegenwärtigen Praxis des Innenministeriums hat ein Landler keine Aussicht auf eine Aufenthaltsbewilligung, Arbeitsvermittlung oder Sozialhilfe, wenn er nicht schon vor dem !.April 1990 in Österreich war.

Rund eine Milliarde Schilling· haben wir im letzten Jahr für die Versorgung von Menschen aus allen Ländern der Welt aufgewendet. Da müßte es doch möglich sein, Mittel und Wege zu finden, daß ein paar Landler in das Land ihrer Väter zurückkehren und ihren Lebensabend in Ruhe und Frieden verbringen können.

Hier soll nicht für die allgemeine Rückkehr der Landler, wohl aber für die im Sozialhirtenbrief geforderte Solidarität mit Notleidenden und die Bereitschaft zum Teilen geworben werden.

Wie wäre es mit einer Widmung der jährlichen Haussammlung der Caritas im August konkret für die Landlerhilfe? Noch fehlt es in Siebenbürgen an . allem, was zu einer mensch????nwürdigen Lebensführung und für ein ertragreiche???? Wirt-

schaften notwendig ist. Mit den gesammelten Geldern könnten Saatgut, Arbeitsgeräte, Medikamente und so weiter gekauft ,werden und auf diese W????ise Starthilfe für einen neuen Anfang geboten werden.

Wie wäre es, wenn im Geiste

praxisnaher Ökumene katholische Pfarren Patenschaften für evangelische Pfarren in Siebenbürgen übernehmen, wenn leerstehende Räume in Pfarren und Klöstern für die vorübergehende Aufnahme wohnlich adaptiert würden, damit zum Beispiel Besucher verschiedener beruflicher Fortbildungskurse dort kostenlos wohnen könnten? Könnten nicht Heime und Plätze zur Erholung der (durch langeJ ahre Mangelernährung geschädigten) Kinder und Jugendlichen gefunden werden?

Zwar gibt es weder Anspruch noch Möglichkeit einer Wiedergutmachung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die von Staat und Kirche vor Generationen an schuldlosen Menschen verübt wurden, doch sollten die Leiden der Landler in Vergangenheit und Gegenwart für Staat und Kirche von heute Grund genug sein, diesen Menschen großzügig zu helfen.

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