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Der Ökumene Gehör verschaffen

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Die ökumenische Bewegung stagniere, meinen heute manche angeblichen Kenner der kirchlichen Situation bei uns und anderswo in Europa. Die anfängliche Begeisterung sei verpufft, die Sensation fremdartig bekleideter Geistlicher als Teilnehmer an kirchlichen Veranstaltungen sei zur Alltäglichkeit abgesunken, und über den Austausch versöhnlicher Phrasen komme man kaum hinaus.

Dem Mann von der Straße, dem österreichischen Durchschnitts- und Taufscheinchristen ■ ist die Ökumene ziemlich gleichgültig. Die Palette reicht hier von „Mir hab'n eh alle den-selb'n Herrgott“ bis „Jeder soll nach seiner Fasson selig werden“. Vielfach wird bereits als Fortschritt gewertet, daß die Seelsorger der verschiedenen Konfessionen einander nicht mehr von der Kanzel beschimpfen, und gerührt-tolerant stellt man fest, dies sei „auch ein schöner Glauben“, wenn man sich anläßlich einer Hochzeit oder Taufe in das Gotteshaus einer anderen Religionsgemeinschaft verirrt.

Eine solche Einstellung der vermeintlichen Kenner einerseits und der

breiten Masse von Christen anderseits wäre wohl geeignet, den für die Ökumene arbeitenden Christen zu entmutigen, gäbe es nicht sehr kräftige Anzeichen dafür, daß diese großartigste kirchliche Bewegung unseres Jahrhunderts eine Entwicklung nimmt, die auch von den optimistischsten öku-menikern vor zwanzig Jahren nicht vorauszusehen war.

Ich meine hier vor allem die Stimme der Ökumene im ORF. Seit zehn Jahren wird jeden Sonntag und an den meisten Feiertagen, sechzigmal im Jahr, die „ökumenische Morgenfeier“ ausgestrahlt, eine auf der ganzen Welt einmalige Sendereihe.

Die meisten Mütter neigen wohl dazu, ihr Kind für das schönste, klügste, liebste auf der Welt zu halten und als eine der Mütter (und Väter) dieser Sendung bin ich wahrscheinlich auch nicht ganz frei von dergleichen Eitelkeiten. Ich kenne aber auch das große Echo, das die ökumenische Morgenfeier im ORF nicht nur in Österreich hat.

Der Umstand, daß sich Theologen aus allen in der Ökumene zusammen-

arbeitenden Kirchen in dieser Sendung zusammentun, daß es - unter Beibehaltung des eigenen kirchlichen Standpunktes - keine Kontroverstheologie gibt, ist fast weniger verwunderlich als die Tatsache, daß sich unter den Mitarbeitern der Sendung eine Art von „ökumenischer Theologie“ gebildet hat, die aber nichts mit Verwischen oder Hinwegleugnen noch bestehender Differenzen zu tun hat. Gewachsene, oft tiefe Freundschaften erleichtern das Verständnis füreinander und für gegenseitige Schwierigkeiten. Der enge persönliche Kontakt in der Zusammenarbeit strahlt dann auch aus auf das allgemeine kirchliche Klima und führt zu weiteren Begegnungen, etwa auf Gemeindeebene.

Die gewaltige Nachfrage nach Manuskripten der Morgenfeier beweist, daß sich viele Menschen von dieser ökumenischen Art der Verkündigung angesprochen fühlen. Viele Hörer verwenden sie als Unterlagen für Bibelkreise, Religionsstunden, Diskussionsrunden oder für Meditation.

Es soll nun nicht der Eindruck entstehen, hier sei Triumphalismus der Urheber dieser Randbemerkung. Sie ist lediglich die Antwort auf die Meinung jener Zweifler, die da meinen, die ökumenische Idee stagniere oder hege gar schon in Agonie. Die kräftigen Lebenszeichen sind nicht unbedingt und immer nur von den offiziellen kirchenleitenden Stellen zu erwarten. Sie sind dort am besten vernehmbar, wo persönlich Engagierte versuchen, der ökumenischen Bewegung auf neuen und phantasievollen Wegen Gehör zu verschaffen.

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