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Die Leiden des jungen Studenten

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In die Diskussion über die Zustände an unseren Universitäten, die merkwürdigerweise fast ausschließlich zwischen Politikern, Professoren, Wissenschaftlern und sogenannten Bildungsplanern ausgetragen wird, möchte sich einmal jener zur Wort melden, der glaubt, am meisten betroffen zu sein: der Student selbst. Am Beispiel der Wiener Wirtschaftsuniversität sollen ein paar durchaus subjektive Gedanken wiedergegeben werden. Um den Gesamteindruck vorwegzunehmen: Enttäuschung. „

Am Beginn steht die totale Hilflosigkeit, sofern man keinen Freund hat, der bereit ist, einem verwirrten Studienanfänger die Hand zu geben, ihn herumzuführen und alles zu erklären. Ratlos bei der Inskription, Verzweiflung während der Anmeldungen für die Lehrveranstaltungen bei den zahllos scheinenden Instituten in endlosen Schlangen... Nach der ersten Woche haben schon viele genug.

Dann die ersten Vorlesungen: Ubervolle Säle, die sich im Laufe des Semesters allmählich leeren. Warum wohl? Den Erstsemestrigen erwartet nämlich keineswegs eine sanfte Einführung in die zweifelsfrei interessante Thematik der Ökonomie (in diesem Fall). Er wird hineingeworfen in scheinbar unzusammenhängende Veranstaltungen: intensive Rechtsschulung, daneben volkswirtschaftliche, hauptsächlich mathematische, realitätsfremde Modelle, dann wieder Übungen über soziologische Begriffe, betriebswirtschaftliche Vorträge, in denen einfache Zusammenhänge durch wissenschaftliche Sprache sinnlos verkompliziert werden, etc. - orientierungslos irrt man durchs erste Semester.

Von der noch dazu oft unverständlichen Materie und den Menschenmassen eingeschüchtert, wird von den Studenten kritiklos alles geschluckt, und mit dem Stoff beschäftigt man sich nur, soweit er prüfungsrelevant ist.

Keine Spur von Erziehung zu selbstständigem Arbeiten, den Uberblick zu bekommen, das kritische Auge zu schärfen! Friß oder stirb! So wird man dazu gebracht, überall den leichtesten Weg zu suchen, das Studium degeneriert zu einer/Jagd nach möglichst vielen und billigen „Scheinen" (Prüfungen). Nur bald wieder draußen sein! Einziger Erfolg: Das Diplom in der Tasche.

Ist daran nur die Massenuniversität Schuld? Ich glaube nicht. So gibt es einige wenige Professoren und Assistenten, denen es gelingt, aus dem Rahmen auszubrechen, interessierte Studenten auch außerhalb der offiziellen Lehrzeit zusammenzubringen, aktuelle Probleme engagiert zu erörtern, nicht langweilig, wirklichkeitsfern und unverständlich zu dozieren.

Bleibt zu hoffen, daß in höheren Semestern genügend Frustrierte das Handtuch geworfen haben, sodaß sich für die Durchhalter die Lage bessert. Zu bedauern sind nur jene, die sich zuerst mit Stoff abquälen, der sie nur sehr sporadisch interessiert, um dann „draußen im Wirtschaftsleben" erst alles neu lernen zu müssen, da ja die Universität „am Markt vorbeiproduziert", wie in vielen Wirtschaftszeitungen zu lesen ist.

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