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Durch neue Architektur mehr Freude am Wohnen

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Weil ja Wohnen schließlich jeden betrifft, sollten die gemeinsam von der Stadt Wien und der österreichischen Ingenieurkammer veranstalteten Ausstellungen im Wiener Künstlerhaus bis 8. Dezember von möglichst vielen besucht werden. Tatsächlich warten auf den Besucher einige Überraschungen: Im Erdgeschoß ist eine schon lange fällige Dokumentation über die Anfänge des „sozialen Wohnbaues“ nach dem Ersten Weltkrieg in Wien zu sehen.

Man spürt förmlich die Freude und den Schwung, die da am Werke waren und staunt, daß Architekten wie etwa Adolf Loos als Planer mitgewirkt und ihn entscheidend gefördert haben. Und dann steht man tatsächlich vor dem Reihenhaus, für das Loos 1920 ein Patent erhalten hatte, naturgetreu nachgebaut im Maßstab 1:1. Es hat mir, ich muß es gestehen, den Atem verschlagen. Welche Einfachheit und Selbstverständlichkeit und welchen Reichtum hatte dieser Entwurf aufzuweisen. Die Tatsache, daß bald danach riesige Wohnblocks geplant und gebaut wurden, daß seither nur zaghaft auf dem damals begonnenen Weg weitergegangen wurde, stimmt traurig.

Der zweite Teil der Ausstellung, in dem das „Hundertwasser-Haus“ als quasi kultischer Auftakt zur Wirklichkeit heutigen Bauens im Modell 1:1 zu sehen ist, steckt den anderen Pol unserer Wohnwirklichkeit ab. Eine kaum faßbare Fülle von Plänen, Luftaufnahmen, Erläuterungstafeln legt die ungemein verschiedenen

Aufgabenbereiche dar, die eine Stadt wie Wien auf dem Wohnbau-Sektor zu lösen versucht. Das reicht von in den letzten zehn Jahren realisierten Bauten als Sanierungen, als Lückenverbau-ungen, als Revitalisierungen und als Stadterweiterungen bis zu den Ergebnissen von Wettbewerben und deren Auswertungen und konkreten Planungen für die unmittelbare Zukunft.

Allgemein scheint ein frischer Wind spürbar zu sein, Quantität wird auf Kosten der Qualität reduziert, hochqualifizierte Architekten werden auch für den normalen Wohnbau herangezogen, Gliederung und Differenzierung von Baukörpern und Fassaden werden sorgfältig beachtet, viele verschiedene Grundrißlösungen erscheinen möglich, und städtebauliche Prinzipien und die Raumelemente von Straße, Platz und Hof werden wichtig. Die Stadt Wien als Auftraggeber und die Architekten machen alle Anstrengungen, vom berüchtigten „Emmentaler“ loszukommen.

All dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Bevormundung angeblich mündiger Bürger mit wenigen Ausnahmen bestehen bleibt. Mit diesen Ausnahmen sind zwar Schwierigkeiten verbunden, sie erscheinen aber doch als Lichtblicke. Stellvertretend seien hier die Bemühungen von Ottokar Uhl genannt. Das von ihm gemeinsam mit den Bewohnern, auch mit den Kindern, geplante und so verwirklichte Haus in Wien-Feßtgasse sollte in seiner Entstehungsgeschichte, und mit dem von Bewohnern gebastelten Modell wieder spürbar machen, was wir scheinbar verloren haben: Freude am Bauen und am Wohnen.

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