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Durchlaufer

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Ostern das liebliche Fest ist gekommen, und es warten auf nette Geschenke so manche der Freunde. Wohl dem, der seit Weihnachten allen Durchlaufern ein kräftiges „Stop!“ zugerufen hat und so auf das Fest vorbereitet ist. Was sich so alles an sympathischen Uberflüssigkeiten im Lauf der letzten Geburts-, Namens- und Hochzeitstage sowie sonstiger Jubiläen angesammelt hat, gilt es gerecht auf die liebe Familie, die Verwandt- und Bekanntschaft aufzuteilen.

In der Beliebtheitsskala rangieren dabei ganz oben die Bonbon-

nieren, da außer Diabetikern jedermann und natürlich jede Frau, ganz besonders aber jedes Kind ein potentieller Abnehmer ist. Der Erstschenker von Konfekt muß sich allerdings im klaren sein, daß damit gleichsam eine Einladung zum Weiterschenken ausgesprochen wird. Nur bei Kindern besteht die begründete Hoffnung, daß Beschenkte und Konsumenten identisch sind — falls nicht die lieben Eltern, von ökonomischen Erwägungen und Sorgen um die Zähne der Kleinen gleichermaßen bewegt, das süße Präsent auf den Weg aller Bon-

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Die einzige Gefahr bei Durch- lauferposten aus Schokolade liegt in der kurzen Haltbarkeitsdauer. Das Risiko, daß ein süßer Ladenhüter einmal in Gegenwart des Schenkers geöffnet und der Inhalt zum Verzehr angeboten wird, ist zwar klein, aber umso unangenehmer. Grauweißer Schimmelüberzug auf Hofbauerkonfekt läßt sich selbst mit großem rhetorischen Aufwand nicht als besondere Spezialität verkaufen.

Bücher sind unter diesem Aspekt weniger gefährlich. Allerdings kann man hier das Geschenkpapier nicht weiterverwenden. Das Auspacken des Präsents ist selbst dann dringend anzuraten, wenn man schon im voraus weiß, um welches Buch es sich handelt. Nur so ist es zu verhindern, daß ein spätes Glied in der Beschenktenkette sich wundert, daß ihm zu Weihnachten eine völlig unbekannte Claudia Glückwünsche zum Namenstag übermittelt. So lange die Unsitte existiert, Widmungen in Bücher zu schreiben oder auch nur eine Gratulationskarte beizulegen, ist das Auspacken von Büchergeschenken für Durchlauferprofis oberstes Gebot. Andernfalls könnte manche Freundschaft schwer beeinträchtigt werden. Das Aus-

packgebot gilt auch, wenn das Geschenkpapier noch so schön ist. Zum Trost: Vorsichtiges Bügeln sichert trotzdem die Weiterverwertbarkeit.

Unter den Büchern gibt es eine spezielle Sorte, die für das Schicksal eines Durchlaufers geradezu prädestiniert ist. Notwendige Eigenschaften für diese Qualifikation sind: a) ein hübsches äußeres Erscheinungsbild, b) ein handliches Format und c) inhaltliche Unverbindlichkeit, die sich unbedingt im Titel ausdrücken muß. Alles, was darüber hinausgeht, ist Luxus. Profis können schon am Verlag erkennen, wie geeignet ein Präsent für die weitere Verwertbarkeit ist. Reihen mit dem Titel „Das kleine Brevier“ oder „Bibliothek der Muße“ sind sichere Indizien dafür, daß jeder damit Beschenkte mit einem neutralen „Schön!“ und dem unausgesprochenen Gedanken an das nächste Opfer reagiert.

In unserem Recycling-Zeitalter ist schließlich die Wiederverwertung eines Geschenkes nicht nur ein Gebot der Ökonomie, sondern auch der Ökologie. Solange es im Umlauf ist, kann es — unverrott- bar wie es meist ist - die Umwelt nicht belasten. In diesem Sinne: Laufen lassen, Freunde!

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