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Ein Hundeleben

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Wenn es eine Seelenwanderung gäbe — was ich hier keineswegs behaupten oder vermuten will — so möchte ich keinesfalls als Hund in Österreich auf die Welt kommen, seit und solange es die neue Straßenverkehrsordnung gibt. Nicht weil es mich mehr reizte, ein ungezogener Köter zu sein als ein braves, wohldressiertes Hunderl,

sondern weil ich es überhaupt als Beleidigung aller Kreatur empfinde, von ihr mehr Reinlichkeit zu verlangen als von den blechernen Fortbewegungsmaschinen, die nach Herzenslust lärmen und stinken dürfen und hinter deren Auspuff kein Herrl drohend mit Schauferl und Sackerl hinterherläuft.

Als Auto müßte man geboren werden!

Diese Menschen stört ja auch der Dreck nicht im geringsten, wenn er nur unauffällig beseitigt wird. Nicht einmal ihre eigenen Nachkommen stören sie, wenn sie sauber ausgekratzt oder abgesaugt werden. Nur bitte nicht auf dem Gehsteig oder im Park liegenlassen. Räumt’s doch bitte eure Kinder ordentlich weg, damit wir uns nicht die Schuhe schmutzig machen!

Die neue Notdurft-Judikatur für Hunde und ihre Herrin wird zweifellos zur Linderung des von der Kultur erfolglos gemilderten Freizeitproblems beitragen. Mehr als die Hundehalter-Selbstkontrolle wird die Nachbarschaftsund Mitweltkontrolle zur Unterstützung der einzuhaltenden Straßenverkehrsordnung notwendig sein.

Wenn wir freilich bedenken, daß die Exekutive schon bisher den Parksündern mehr Augenmerk als dem sogenannten fließenden Verkehr zuwandte, so ist ihr auch eine besonders intensive Hundeüberwachung zuzutrauen. Möglicherweise gewinnt sogar der Ausdruck „Parksünder“ eine ganz neue Bedeutung und bezieht sich künftig auf Hunde, welche im Park in einem sogenannten unbewachten Augenblick…

Um der Aggression zwischen Freunden und Feinden der Hundehaltung nicht Vorschub zu leisten und damit das Leben wertvoller Menschen zu gefährden, wird sich der Gesetzgeber bald entschließen müssen, Kennzeichentafeln für Hunde’einzuführen, die wie bei den Autos vorne und hinten anzubringen sind. Diese sind nur gültig mit einem Zulassungsschein, welcher einen Hundeführerschein voraussetzt. Bis zur Steuerkarte nach Hubraumklasse und zur Haftpflichtversicherungspflicht ist es dann nicht mehr weit. Da dadurch Arbeitsplätze von Sachbearbeitern und Beamten gesichert werden, erweist sich diese Maßnahme als Sozialpaket. Diese Idee zuerst gehabt zu haben werden die politischen Parteien wetteifern.

Zu wenig beachtet bei dieser begrüßenswerten Neueinführung wird allerdings, daß dadurch die

Prestige-Skala der Hunderassen stark verschoben wird. War es bisher der Besitz einer bengalesi- schen Riesendogge, eines zentralafrikanischen Zwergpinschers oder eines hinterkaukasischen Hirtenhundes, der dezent auf die Farbe der Tapete und des Pelzmantels abgestimmt, Frauerl und Herrl ein exquisites Image gab, so beginnt nun der Run auf die niedrigen Kennzeichen-Nummern der Hunde. Nummern unter 1000 sollen selbstverständlich Diplomaten- und Politikerhunden Vorbehalten sein, damit die Exekutive auch weiß, wie sie sich im Falle einer Anzeige zu verhalten hat.

Doch eines Tages — es wird nicht zu verhindern sein — taucht eben doch der Promenadenmischling mit der Hundenummer W 77777 auf — und aus ist es mit dem Ansehen der exquisiten Reinrassigen. Die weiteren Folgen habe ich hier nicht auszumalen, denn mich betrifft das nicht mehr. Ich habe umgestellt auf meinen allerliebsten Alligator Maxi im Badezimmer, die Klapperschlange Susi unterm Bett im Schlafzimmer und einen 1,20 m großen Ara, der mir im Wohnzimmer die Nüsse an • die Wand wirft.

Mein Nachbar hat einen pos-1 sierlichen Schimpansen, und die Dame über mir hält angeblich einen jungen Tiger, aber vielleicht ist das auch nur eine große Hauskatze.

Meine Tierliebe jedenfalls ist ausreichend gedeckt und die Nummerntafeln brauche icht nicht. Mein Freund, der nächste Woche den Hundeführerschein macht, beneidet mich.

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