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Familiengeschichten

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In unserem Kollektivzeitalter werden fast nur noch durchschnittliche und unterdurchschnittliche Menschen auf der Bühne gezeigt. In dem Schauspiel „Ein Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ von Peter Hacks, das derzeit im Akademietheater aufgeführt wird, geht es ausschließlich um die Beziehung zu einem mehr als überdurchschnittlichen, zu einem genialen Menschen, der aber gar nicht auftritt.

Das ist weder ein Schauspiel, noch ein Gespräch, sondern ein zweistündiger Monolog, den Frau von Stein vor ihrem Gatten hält, der lediglich von einer Puppe verkörpert wird. Sie rechtfertigt vor allem sich selbst, ihr Verhalten Goethe gegenüber, der eben Weimar nach zehnjähriger Beziehung zu ihr überwiegend ihretwegen verlassen hat. Sie ist enttäuscht, schwer verletzt, voll Zorn über sein Verschwinden und kann sich nun nicht genugtun, ihn in ihren Wortkaskaden noch und noch zu schmähen. Hören wir uns deshalb diesen Monolog an?

Was Frau von Stein vorbringt, zeigt, wie diese eigenwillige, durchaus provinzielle, mittelmäßige Hofdame der Herzogin einen Menschen, dessen Größe sie gar nicht wirklich erkennt, aus Eitelkeit, aus Machtlust, durch seine Liebe weiterhin in Abhängigkeit halten wollte, was ihr aber nicht gelang. Das Glück der zu spät gewährten Erfüllung kommt gegen ihre Verletzt- heit nur spärlich auf. Diese eigenartige Beziehung hat Peter Hacks psychologisch einfühlig und den biographischen Fakten gemäß durchgezeichnet. Das Negativbild, das sich durch die dauernden Schmähungen ergibt, erzeugt in der Phantasie das positive Gegenbild. Aber nur für Kenner.

Unter der geschickten Regie von Klaus Höring bietet Annemarie Düringer als Frau von Stein ein facettenreiches und dadurch abwechslungsreiches Spiel, von aufgeregter Hektik bis zum kapriziös Neckischen, das Vielleicht dieser Gestalt nicht ganz entspricht, aber eine weitere Nuance ergibt. Matthias Kralj entwarf den hell-freundlichen Wohnraum der Steins.

Der heute 84jährige kroatische Au-

tor Miroslav Krleza war einst Offizier der alten österreichischen Armee und Hasser der Donaumonarchie, Kommunist und Millionär, Tito-Freund, der dem Diktator angeblich sein Parteibuch persönlich zurückgab. Er schrieb vor mehr als vierzig Jahren eine Dramentrilogie, deren erstes Stück „Die Glembays“ in krasser Häufung die Verfallserscheinungen, den Niedergang dieser Familie aus ungarisch-kroatischer Herrenschichte vorfuhrt. Wir sahen es im Volkstheater. Ebenda wird derzeit das zweite Stück der Trilogie, „Leda“, in deutschsprachiger Erstaufführung dargeboten, trefflich übersetzt von Milo Dor.

Zwei Ehen, die nicht klappen. Die Frauen heirateten des Wohlstands wegen. Der eine Ehemann ist ein rasch emporgekommener Großindustrieller mit Kutscherallüren, der andere ein sehr erfolgreicher Maler mittelmäßiger Bilder mit durchschnittlichem Verstand. Die Frauen halten es mit ihren Männern nicht aus. Krachs, Bettgeschichten, unerfüllte Hoffnungen.

Ein gescheiterter Diplomat, Frauentröster und Plauderer wird Katalysator dessen, was sich ereignet Seine Behauptung „Wir verfaulen“ ist offenbar Krlefcas Schlüsselwort für das Stück. Snobistische Kultiviertheit, angeheizte Gefühle aus innerer Hohlheit vereinzelt echte, soll das eine sozialpsychologische Verdammung der Donaumonarchie sein? Schlechte Ehen gab es immer und überall, in jeder Wohlstandsgesellschaft, und nicht nur in ihr. Feydeau hat aus derlei fix funktionierende Schwänke fabriziert.

Regisseur Fritz Zecha inszeniert das Stück als unkritisches Zeitgemälde. Vera Borek setzt als snobistisch affektierte Frau des Großindustriellen richtig an, übersteigert aber Bewegungen und Spielweise. Traute Wassler gibt der Frau des Malers Hektik. Peter Hey ist ein drauflospoltemder Großindustrieller, Emst Meister ein hitzig aufgeregter Maler. Als Frauentröster bietet Louis Ries nonchalante Eleganz. Der Bühnenbüdner Rolf Langenfass umgrenzt die Bühne mit leeren Wänden und setzt da hinein die aufwendigen Möbel, für eine Straßenszene größere Versatzstücke.

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