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Grandseigneurs
Wilhelm Kempff, 76, Grandsei-gneur der alten deutschen Pianistengarde und als Beethoven-Interpret letzter geistiger Erbe eines Gieseking und Backhaus, spielte im Musikverein zwei Abende. Vor allem Beethovens „Eroica“-Variationen (op. 35) zeigten, wie dieser Pianist Verinner-lichung des Vortrags und glänzende Technik verschmilzt, in welch schlichter Eleganz er die Vielzahl der Details gestaltet. Sie sind ihm oft spürbar wichtiger, als große Spannungen, dynamische Aufbrüche, hart konturierte Kontraste, wie sie in der Fuge von den meisten Pianisten vorexerziert werden. Kempff liebt das Ebenmaß klassischer Proportion, die dynamisch geglättete Oberfläche, äußerste Exaktheit in rhythmischmetrischen Einzelheiten. Selbst dort, wo „Dramatisierungen“ und lyrischsentimentales Schwelgen gewiß effektvoller wären, wählt er den Weg sachlicher, zurückhaltender Darstellung. Paradebeispiel dafür war seine Wiedergabe von Brahms' Opus 10, den vier Balladen, bei denen sich gleichsam eine symphonische Einheit einstellte. Das erstaunliche Repertoire koloristischer Valeurs exerzierte er an Schuberts e-Moll-Sonate (D 566) vor, die er — überzeugt, daß Schubert das heute meist dazuge-spielte Scherzo selbst nicht für diese Sonate akzeptiert hätte — in der zweisätzigen Fassung spielte. — Den ersten Abend hatte Kempff ausschließlich Mozart gewidmet: den Sonaten KV 281 und 331, dem a-Moll-Rondo und den Fantasien c-Moll und d-Moll, in denen Kempff allerdings alle Ausdruckszeichnungen eigenartig reduzierte, die Konturen ungemein leicht und luftig, fast impressionistisch weich verwischte. Das Publikum jubelte an beiden Abenden.
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Der zweite Starsolist der vergangenen Woche war Pierre Fournier, der gemeinsam mit dem exakt begleitenden Walter Klien im Konzerthaus Beethovens „Judas-Makka-bäus“-Variationen, Schuberts Ar-peggione-Sonate und Brahms' F-Dur-Sonate (op. 99) und, allein, Bachs D-Dur-Suite (Nr. 6) spielte. Großartig sein Brahms: reif verhalten, dabei im romantisch-verspon-nenen „Affetuoso“ noch immer jugendlich-leidenschaftlich, im Finale von prickelnder Frische der Tongebung. Und sein Schubert: virtuos, in der dynamischen Auslotung voll von Spannungen. Nur seine Bach-Interpretation läßt kalt: Fournier scheint ihn aus Gewohnheit aufs Programm zu setzen. Es klingt nach Routine, mutwilligen Eigenheiten in den tänzerischen Rhythmen. Was „durchbrochene“ Arbeit sein soll, verdickt sich gelegentlich um des Ausdrucks willen.
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