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Vom Solo- zum Orchesterabend
Ein unvergleichlicher Meister seines Faches (er hat sich tadellos gehalten und sieht auch noch so aus!) wagte in später Stunde ein Konzert mit seinem edlen Instrument, das nun leider durch die Last der Jahre einen Sprung bekommen hat: Hans Hotter, Held vieler unvergessener Opernabende, sang an der Schwelle zum Greisenalter im Brahms-Saal Lieder von Hugo Wolf, und er tat es eigentlich ohne Risiko, denn der Applaus, der ihm entgegenschlug, galt den Leistungen aus der Glanzzeit des Künstlers, der auch heute noch ein ganz großer Liedersänger ist. Sein junger Begleiter Konrad Richter erwies sich als temperamentvoller, technisch versierter Pianist.
Viktoria Postnikova, Star des 2. Klavierkonzertes von Prokofieff, gab im Brahms-Saal mit „ihrem“ Dirigenten Gennadij Roshdestven- skij einen Abend mit Klaviermusik zu vier Händen. Das Bedeutendste war wohl die f-Moll-Fantasie (D 940) von Schubert. Das russische Paar interpretierte in diesem Werk voll wuchtiger Tragik vor allem die Rückwendung zum Barock und die orchestrale Wirkung mit einer Kraft, die manchen schon zuviel schien. Es gab aber auch zweimal Mozart zu hören (KV 381 und 358, ersteres in plattenreifer Präzision und mit fein differenzierter Dynamik), die bunt bewegte Suite von Debussy und Hindemiths Sonate, deren Linienzüge hart konturiert und spannungsreich herausgearbeitet wurden.
Mit dem „Fine Arts Quartet Chi- kago debütierte im Brahms-Saal ein Kammermusikensemble, das ganz dem Wiener Geschmack entspricht: gedeckt im Klang, ausgewogen in den Stimmen und bestens aufeinander eingespielt (Streichquartett g-Moll, Hob. III/74). Das a-Moll- Quartett des damals 18jährigen Mendelssohn mußte gegen die reife Meisterarbeit Haydns abfallen, der Einsatz der vier Musiker aber war voll und glücklich; so schön wie ein frühromantisches Stück nur klingen kann, so schön fiel es auch aus… Weniger befriedigend schien uns die Wiedergabe von Ravels Streichquartett. Es war klanglich „dick“ und litt unter unsauberer Intonation, namentlich der Primgeige.
Tschechische Musiker haben oftmals eine sehr glückliche Hand, nicht unähnlich einer guten, resoluten Köchin mit Geschmack und dem rechten Hausverstand. Zdenik Hosier erinnert hierin stark an Paul Klecki: Er hält jede Musik in guter Bewegung, hat Sinn für feine Details und läßt trotzdem auch den übersichtlichen Aufbau nicht ver missen. So war der Abend im Konzerthaus, in dem er die Symphoniker dirigierte und Liana Issakadse bei Brahms’ Violinkonzert begleitete, ein außerordentlich genußreicher. Die schöne Gregorierin ist eine Mittzwanzigerin. Bei David Oistrach hat sie gelernt, und ganz bestimmt hat sie die bedingungslose Pflichttreue und Hingabe ans Werk von ihm übernommen. Ihr Strich ist optisch von unübertrefflicher Eleganz, akustisch könnte er im Lauf der Zeit noch immer weicher werden, namentlich dann, wenn es gilt, in Ar- peggien oder Akkorden über die Saiten zu gehen. Die Symphoniker waren wieder einmal ebensogut wie ihr Dirigent. Beethovens erste Leo- norenouvertüre rechtfertigte so die Begegnung mit diesem Stiefkind des Konzertsaals, und Strawinskys „Pe- truschka“ in der zweiten Fassung fesselte durch Charme, Laune, Leichtigkeit und Temperament. Klaviersolist war der tüchtige Rainer Keuschnig.
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