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Gedda, Demus, Gilels

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An einem stilistisch anspruchsvollen Programm (Großer Musikvereinssaal) hat Nicolai Gedda 6eine ausdrucksmäßige und stilistische Vielseitigkeit im Liedgesang erwiesen. Die Breite Händeis, die Intimität Schuberts, die Erfülltheit und Verhaltenheit Gustav Mahlers und die elegante Leichtigkeit von Francis Poulenc kamen auf gleich natürliche und gekonnte Art ebenso aus dem Wort heraus zur Geltung, als sie sich mühelos in die gesangliche Linie auflösten Die Stimme kommt dieser Art entgegen, ist biegsam, aber doch mit einem metallischen Unterton, und durch ihre ausgezeichnete Schulung auch der Leichtigkeit des Chansons gewachsen, ebenso aber der Verträumtheit der Rachmaninoff. Szymanowski, Rimsky-Korssakoff und Wassilenko, aus deren Umgebung Strawinskys „Tilimbom“ als lebendigste Gegenwart hervorsprang. An Werner Singer hatte der Sänger einen hervorragenden Begleiter

Mit einer wahrhaft inspirierten Wiedergabe der tiefsinnigen „Vier Improptus“ op. 90 von Franz Schubert erreichte Jörg Demus den ersten Höhepunkt seines Klavierabends „österreichische Klaviermusik aus drei Jahrhunderten“ (Brahmssaal). Der zweite stand am Schluß: die Sonate op. 111 in c-moll von Ludwig van Beethoven, die sowohl im energischen ersten als im verhaltenen zweiten Satz mit seinen so schwierigen Trillerketten die männlich-künstlerische Reife des Interpreten, aber auch seine Demut (Nomen est Omen!) im Dienste Beethovens überzeugend erkennen ließ; natürlich auch im Dienste Mozarts (Phantasie in c-moll, KV 396), Haydns (Sonate F-dur, GA 23), Bruckners (Klavierstück in As-dur „Erinnerung“). In der Sonate op. 1 von Alban Berg, dem Präludium in es-moll von Joseph Marx sowie der Toccata in d-moll von Franz Schmidt (der die Uraufführung einer Romanze in A-dur, die bisher unbekannt geblieben war, vorausging), brachen drei scharf kontrastierende Stile in die klassisch-romantische Welt, von denen Alban Bergs Sonate das revolutionärste und wegweisendste zum Heute war.

Es sind jetzt schon bald 25 Jahre her, daß der Pianist Emil G i 1 e 1 s, damals ein struppig-blondes Wunderkind, in Wien bei einem internationalen Wettbewerb einen Preis machte (wenn ich mich recht erinnere: mit einer „Toccata“ von Prokofieff). Und auch heute sieht Gilels nicht nur jung aus, sondern ist es auch geblieben. Bereits in Bachs „A r i a v a r i a t a“ spürte man eine Kraft und Anspannung, die sich nur mühsam zügeln läßt, die schon im nächsten Stück (der Sonate D-dur, Op. 53, von Schubert, deren langsamer Satz die Angstvorstellung aufsteigen läßt, er würde nie enden!) zum Durchbruch kam und im Vivace-Schlußsatz der 8. Sonate von Prokofieff vollends dominiert. Die ersten beiden Sätze dieses halbstündigen Werkes zeigen Prokofieff nicht mehr ganz auf der Höhe seiner Erfindungskraft („Die Helden sind müde geworden!“) und enthalten mehr lärmende und matte Episoden als wirklich inspirierte und durchgeformte. Zwischen Schubert und Prokofieff standen die „Images I“ von D e b u s s y auf dem Programm, die Gilels mit allen Farben seines hochdifferenzierten Anschlags ausstattete. Obwohl das virtuose Element bei Gilels sehr stark ausgeprägt ist, dominiert doch das künstlerische (ohne Brechungen und Komplikationen freilich), so daß alles, was er spielt, zwar virtuos herausgeputzt, aber nicht verfremdet wird (wie etwa bei Cherkassky). Sein Vortrag, der auch zartester Zartheit nicht entbehrt, ist fesselnd und erregend, und Gilels erzielt diesen Effekt mit durchaus legitimen Mitteln. Tosender Beifall im Großen Musikvereinssaal.

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