Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Haß auf die Dableiber
Die erste Briefmarke der Zweiten Republik wirbt für die Ausstellung — symbolhaft? Der primitive Aufdruck „Österreich”, unter dem oben und unten der Hitlerkopf durchschimmert — das ist ja wohl gemeint.
Denn die Gestalter wollen zeigen, daß es keine ,JStunde Null” gab, daß .Menschen, Strömungen und Tendenzen, die unter dem NS-Re-gime ein Rolle gespielt hatten, auch nachher weiterwirkten” (Katalog).
Na und? Hätten Attila und Paul Hörbiger, Hans Moser und Paula Wessely nicht spielen, hätten Herbert von Karajan und Wilhelm Furt-wängler nicht dirigieren sollen, um den Menschen zwischen Schutträumen und Schlangestehen zwei Stunden der Ablenkung zu bieten?
Hätten Franz Schuster und Josef Hoffmann ihre Kenntnisse nicht in den Dienst des Wiederaufbaus stellen sollen, nur weil sie alle auch während der NS-Zeit Aufträge annahmen?
Unter den vielen Ausstellungen dieser Wochen nimmt sich die im ,^Zwanz'gerhaus” der Kulturszene zwischen 1940 und 1950 an. Dazu gehört die Kultur im Dienst des NS-Regimes wie jene in der Emigration und jene, die von ,J)ableibern” und ,Jieim-kehrern” nach dem Neubeginn geschaffen wurde.
Niemand versagt denen die Achtung, die gezwungen waren, die Heimat zu verlassen, um das nackte Leben zu retten. Daß manche von ihnen in der unmittelbaren Nachkriegszeit mehr Entgegenkommen verdient hätten, steht außer Zweifel.
Damals, 1945, warf auch (fast) niemand den andern vor, dageblieben zu sein und weitergemacht zu haben, nach 1938 und nach 1945, sich vielleicht mitunter etwas zu sehr dem Stil der Zeit angepaßt zu haben.
Denn auch sie gehörten zum Neubeginn, der echt war, auch wenn an vieles Frühere angeknüpft wurde. Man kann einen neuen Staat aus Trümmern wieder aufbauen, aber nicht aus dem Nichts.
Die Epigonen heute wollen dies nicht wahrhaben.
So bietet die Ausstellung eine durchaus sehenswerte Zusammenstellung kultureller Dokumentation aus Krieg und Nachkrieg, nicht zuletzt in den phänomenalen Fotos von Ernst Haas.
Daß der Brief des Kardinals Innitzer an Gauleiter Bürckel — mit Heil Hitler -im Original zu sehen ist, mit keinem Wort aber an Karl Renners gleichlautende * Empfehlung erinnert wird, ist man nachgerade gewöhnt.
Daß (im Katalog) der Brand des Stephansdoms den abziehenden deutschen Truppen zugeschoben wird, ist längst widerlegt.
Die Schau zeigt trotzdem den ungeheuren Aufbruch der Kulturszene — mit den damals vorhandenen Möglichkeiten. Auch wenn die damals präsentierte Kultur nicht immer jene war, die den Epigonen besser gefallen hätte.
(„Wien 1945 - davor/danach”. Wien, Museum des 20. Jahrhunderts, bis 7. Juli)
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!