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„Heilige Guillotine“

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Die wichtigsten Symbole der Französischen Bevolution existieren bis heute: die französische Flagge, die französische Nationalhymne, die Devise “Freiheit, Gleichheit,BrüderUchkeit“, die auf allen französischen Münzen prangt. Eines freiUch wurde im 20. Jahrhundert abgeschafft, ohne daß ihm jemand nachgeweint hätte: die Guillotine.

Im 18. Jahrhundert haben gerade französische Denker die Einsicht formuliert, daß aUeMenschen gleich an Becht und Würde srad vmd Anspruch auf ein menschenwürdiges

Lebenhaben. Menschenwürdig sollte nach Ansicht des Dr.Guillotin auch der Tod sein:

Wenn er schon im Namen der Staatsräson erforderlich war, dann sollte er rasch und mögUchst schmerzfrei vollzogen werden, der schreckUche Kontakt zwischen Scharfrichter undTodeskandidaten soUte durch eine anonyme Maschine abgemildert werden, und sadistische Gaffer sollten nicht mehr auf ihre Bechnung kommen können.

Auch das weitere AnUegen des Dr.Guillotin entsprach durchaus htunanitären Ideen: Die Delinquenten sollten auch im Tod gleich sein; bisher war das Enthauptetwerden in ganz Europa ein Privileg der AdeUgen gewesen, wie ja auch das Schwert als Waffe ursprüngUch nur ihnen zugestanden hatte.

Ganz neu war die Idee einer Tö-

tungsmaschine freilich nicht Im Mittelalter hatte es dergleichen unter dem Namen “Hobel“ oder “Diele“ schon in Deutschland gegeben; im 16. Jahrhxmdert existierte ein ähnliches Gerät, “Maimaia“ genannt, in ItaUen und Südfrankreich. Ende 1789 pries Dr. Guillotin seine Idee derfraiizösischen Nationalversammlung, deren Mitglied er selbst war, an; doch als die Abgeordneten endlich “anbissen“, erwies sich, daß die Maschine nicht so leicht zu bauen war, wie Dr. Guillotin behauptete. Ein anderer Arzt, Dr.Louis, imd der deutsche Klavierbauer Schmidt zeichneten schUeßlich für die Kon-stniktion der Maschine verantwort-Uch. Nachdem das Fallbeil an Leichen und Tieren erprobt und geringfügig “verbessert“ worden war (Schrägstelivmg des Beils, Lederbeutel zum Auffangen der Köpfe imd ähnUches),erfoIgteam25. April 1792 an einem Mörder der im wahrsten Sinn des Wortes blutige Anfang. Etwa vier Monate später war dann der erste politische Häftling an der Reihe.

Am 21. Jänner 1793 folgte ihr jene Hinrichtung, die die WeltöffentUch-keit bewegte: Louis Capet, wie die Revolutionäre ihren bisherigen König Ludwig XVL einfach nannten. Erstaunlich gefaßt soU der ExMonarch noch seine Unschuld beteuert haben, ehe unter dem Ruf “Es lebe die Bepublik 1“ die Schneide fiel und begeisterte Bepublikaner rasch noch “Tyrannenblut“ als Souvenir in Tüchern einsaugen Ue-ßen.

Als Marie-Antoinette am 16. Oktober 1793 das Schafott bestieg, war die GuUlotine bereits das Hinrich-timgsgerät der Revolution schlechthingeworden, die nun begann, “ihre eigenen Kinder zu fressen“:

Hebert, Heraiisgeber einer der radikalsten Bevolutionszeitxmgen und seine Anhänger (24J^Iärz 1794); Danton imdDesmoulins, dieBobes-pierre eben noch geholfen hatten. Hebert loszuwerden, imd init ihnen Fahre d’Eglantine, der noch 1793 so wohlklingende Monatsnamen wie “Thermidor“, “Fructidor“ und “Floreal“ für den Bevolutionska-lender erdichtet hatte (aUe am 5.Aprü 1794); den Dichter Andre Chenier (25.JuU 1794). Am 28. JuU folgten mit Robespierre und Saint-Just diejenigen, die für den Terror der vorangegangenen Monate ver-antwortUch gewesen waren, und danach begann erst das Köpferollen unter den weniger bedeutenden Jakobinern. Das Durchschnittsalter der Genannten lag bei etwa 33

Jahren. 1794 kam der Betrieb von Guillotinen dann aber fastzum StiU-stand. ,

Die Zahl der in den Bevolutions-jahren Guillotinierten kann nur geschätzt werden, da man mit Verdächtigten im wahrsten Sinn des Wortes immer kürzeren Prozeß machte. Allein am 17. Juni 1794 ging das FaUbeil in Paris gezählte 54 Mal hintereinander nieder, den “Rekord“ ortet man Sn der südfranzösischen Stadt Toulon, die es einmal auf 200 Tote am Tag brachte.

VermutUchhatesfast 3.000 Guillotinierte in Paris gegeben (wo allein im Sommer 1794 zirka 1.300 Todesurteile gefäUt wurden), über zehnmal soviele in ganz Frankreich.

Als so humanitär wie angepriesen erwies sich allerdings die Guillotine auch nicht: Besonders seit man von Ludwig XVL an die Köpfe der Getöteten triumphierend in die Höhe hielt, stellten sich die Schaulustigen wieder begeistert ein.

Sehr bald erwies sich aber auch in einem weiteren Punkt, daß der Tod durch die Guillotine wahrschein-Uch gar nicht so angenehm war, wie ihre Erfinder geglaubt hatten. Es ist nämUch durchaus mögUch, daß durch die Geschwindigkeit des Beils der abgetrennte Kopf für Sekunden gewissermaßen noch weiterlebt Jedenfalls hatte man an den Köpfen der Getöteten eine verzerrte Mimik beobachtet, die die damaligen Ärzte aber zu reflexartigen Zuckungen erklärten, denen keine Empfindungen mehr entsprächen.

Symbol für die Revolution ist die Guillotine lücht erst nachträgUch geworden, die Jakobiner selbst betrachteten sie als solches. “Heilige Guillotine, Beschützerin der Patrioten, bitte für uns; heiUge Guillotine, Schrecken der Aristokraten, beschütze uns; freundliche Maschine, erbarme dich unser, wunderbare Maschine, erbarme dich unser. HeiUge Guil-

lotine, beschütze uns vor den Tyrannen“,lautete ein

Revolutions“gebet“.

Auch Jakobiner im Ausland hielten sich an die Guillotine als Symbol: 1794 wurde ein aus Spielkarten verfertigtes bewegUches GuiUoti-ne-ModeU bei einem Fischhändler auf der Wieden beschlagnahmt (im Rahmen der Ausstellung “Freiheit, Gleichheit, BrüderUchkeit auch in Österreich?“ noch bis 3.September im Historischen Museum der Stadt Wien zu sehen).

In Frankreich war die Guillotine bis in die jüngere Gegenwart hinein in Betrieb. Seit bei einer Hinrichtung 1939 die Schaulustigen schon Tage voraus vor dem Gefängnis campiert hatten, wurde die Todesstrafe nur mehr unter Ausschluß der ÖffentUchkeit vollzogen. Die letzte Hinrichtung mit der GuiUoti-ne ist am 10. September 1977 unter

Staatspräsident Giscard d’Estaing durchgeführt worden.

Längst war der Sinn dieser Tötungsmaschine in Frage gesteUt; unter humanem Strafvollzug verstand man nicht mehr den raschen Tod, sondem den Verzicht auf die Todesstrafe überhaupt Gleichnach seinem ersten Amtsantritt 1981 hat Präsident Francois Mitterrand die Todesstrafe dann auch für Frankreich abgeschafft.

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